Mit Video ICE ICE BABY von Vanilla Ice

Tiefkühlung: zur Aufbewahrung von Eizellen leider zu warm
Heimische Tiefkühlbox reicht zur Aufbewahrung seiner Eizellen leider nicht. Zu warm.

Wieder eine geniale soziale Geschäftsidee aus den USA: „soziales Einfrieren seiner Eizellen“ (Social Freezing), betrifft allerdings – geschlechtliche Gleichstellung hin oder her – nur Mädchen oder junge Frauen. Theoretisch jede naturgeschaffene Frau, aber ihre neue Sozial­leistung haben sich die Big-Data-Konzerne Appel und Facebook(Fb) vor allem für junge weibliche Wesen ausge­dacht. Scheinbar eine coole Sache. Also dann: ICE ICE BABY! Oder?

Profitrelevantes Menschenbild

Was immer auf Profitmaximierung ausgerichtete Firmen tun, sie tun es der Profitmaximierung wegen. Die Social-Freezing-Offerte von Apple und Fb sagt also etwas über das profitrelevante Menschenbild dieser Firmen aus. Und ist mutmaßlich so: Kreativ, einfallsreich, stressbelastbar, karriereorientiert ist bei Frauen demnach offenbar vor allem die JUNGE FRAU unter 30. Schwang­erschaft, Kinderbetreuung, sich der Familie widmen in der Zeit wäre schlicht Geldverschwendung – aus Konzernsicht. Die nicht mehr ganz junge Frau, geschätzt 30 ++, ist demnach weniger kreativ, einfallsreich, stressbelastbar, karriereorientiert – also für die Konzerne auch weniger effizient1.


Social Freezing © Bayerisches Fernsehen

Daraus folgt: das Nützliche mit dem Praktischen verbinden. Also jung in der Firma schaffen lassen. Weniger jung: Eizellenprojekt realisieren und den Traum von Familie träumen lassen – bei vollen Bezügen. Klingt das nicht gut? Dagegen aber spricht leider zunächst die Biologie. Denn mit zunehmendem Alter steigen bei Schwangerschaften die Risiken, etwa für ein behindertes Kind. Social Freezing ist da wie geschaffen. Sich jung die Eizellen entnehmen lassen und sie weniger jung – austragen klingt jetzt irgendwie hart – sagen wir: fertig reifen lassen. Echt sozial scheinbar.

Allerdings, „Eizellen entnehmen lassen“ hört sich so einfach an wie Blut abnehmen oder Urinprobe abgeben im Zuge einer Routineuntersuchung beim Hausarzt. Ist es aber nicht. Die Eizellen werden unter Narkose operativ vaginal entfernt. Zuvor aber braucht es eine vierzehntägige Hormonbe­handlung. Die Hormone werden gespritzt. Sie bewirken eine Anregung der Eierstöcke, um eine mehr als nur natürliche monatliche Ausbeute an reifen Eizellen für die Entnahme zur Verfügung zu haben. Als ein guter Wert gelten zehn bis 15 Eizellen pro Entnahme und Einfrierung.

ICE ICE BABY von Vanilla Ice

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Vanilla Ice – Ice Ice Baby Video Extender Vdj Barcenas from Vdj Barcenas on Vimeo.

Auch die Behandlung der entnommenen Eizellen unterscheidet sich vom üblichen Umgang mit Laborproben. Die Eizellen werden nach ihrer Entnahme mit flüssigem Stickstoff schockgefroren und anschließend bei minus 196 Grad Celsius (rund 77 K) gelagert. Wer bis an die Stelle hat folgen können und es nicht schon weiß, wird sich die Frage stellen: Warum so viel Aufhebens wegen ein paar Eizellen? Vereinfacht ausgedrückt: die Eizellen werden im Laufe der Zeit immer weniger, wachsen nicht nach und die verbleibenden verlieren an Qualität. Ein Mädchen hat bei Geburt bis zu zwei Millionen Eizellen. In der Pubertät sind davon weniger als eine halbe Million übrig. Monatlich gehen um die tausend Eizellen verloren, pro Jahr also etwa 12.000 Stück. Rechnet man das hoch, beginnt statistisch gesehen bereits mit Mitte 20 die Fruchtbarkeit zu sinken.

Reproduktionsmedizin hat erhebliches wirtschaftliches Potenzial

Es gibt aber auch Risiken. Die notwendige, für eine gesunde junge Frau ansonsten völlig unnötige Hormonbehandlung kann auch schief gehen. Beim operativen Entfernen von Eizellen kann es zu Blutungen oder Infektionen kommen. In den USA wurden Fälle bekannt, wo die Hormonbehandlung zu einer Überstimulation der Eierstöcke führte mit teils dramatischen gesundheitlichen Folgen. Die Reproduktionsmediziner haben das Verfahren ständig optimiert und die Risiken immer weiter gesenkt. Wer dennoch krank auf der Strecke bleibt, hat eben Pech gehabt. Zeit, über das Geschäft mit Eizellen nachzudenken.

Schon seit längerem finanzieren sich in den USA IQ-zertifizierte und gut aussehende Mädchen um die 20 und ohne erkennbare Gendefekte, die aus weniger betuchten Verhältnissen stammen mit dem Verkauf ihrer Eizellen ihr Studium. Das kann pro Entnahme mehrere tausend Dollar einbringen. Wohlhabende Amerikaner suchen sich gegen Gebühr die ihnen am meisten zusagende Spenderin aus. Je attraktiver und gesünder – je teurer.


Meinungen zum Social Freezing: Was gehen meinen Arbeitgeber meine Eizellen an? © spiegeltv

Die Reproduktionsmedizin hat erhebliches wirtschaftliches Potenzial. Wer für den späteren Eigenbedarf Eizellen einfrieren will, muss zunächst für eine Entnahme pro Zyklus mit Kosten von bis zu 5.000 Euro rechnen. Das Einfrieren und Lagern kostet bis zu 3.500 Euro für die ersten Monate, darüber hinaus knapp 200 Euro pro Monat. Das Auftauen und Einsetzen von Eizellen kostet auch – im Durchschnitt 2.000 Euro. Die 20.000 Dollar „Einfrierprämie“ von Fb an jüngere Mitarbeiter­innen ist übrigens an die Verpflichtung zur späteren Fremdschwangerschaft geknüpft. Noch ein Geschäftsfeld, das vornehmlich in Ländern der Dritten Welt getätigt wird, und Garantie, dass kinderwillige ältere Mitarbeiterinnen nicht wegen Kinderkriegen ausfallen.

Klar, dass bei soviel Geld auch eine mächtige Lobby bereit steht. Um dem Social Freezing von vornherein den Geruch eines „monströsen Frankensteinings“ zu nehmen, wird in hellen Farben, mit coolen jungen Ärzten im Hipster-Look und im Habitus exklusiver Coolness verpackt Werbung gemacht. Das kennen wir Lehrer von Apple schon, wenn uns Hardware mit 30 Prozent Marktanteil (etwa das iPad im Tablet-Markt) suggestiv als „Bildungsinitiative“ verkauft wird.

Fb: Verpflichtung zur späteren Fremdschwangerschaft

Gegenstimmen? Lobbyisten machen gute raumfüllende Öffentlichkeitsarbeit. Kein Wunder, dass vor allem jüngere Menschen, also genau die Zielgruppe, das Angebot eigentlich ganz interessant finden. Bei den 14- bis 29-Jährigen sogar 53 Prozent. Sind das womöglich die gleichen, die sich auch als Applekunden und Fb-Nutzer von diesen Konzernen dirigieren lassen? Man muss in der Informa­tions­flut schon ernsthaft und geduldig suchen, um kategorische Gegenstimmen zu finden, etwa beim Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik zur Förderung des Dialogs von Medizin und Ethik auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes: Schwangerschaft auf Abruf? Warum Social Egg Freezing nicht der richtige Weg ist.


Heftige Kritik an Social Freezing © dpa-AFX

Oder man geht in den Supermarkt. Auf die Anfrage des Verfassers in „seinem“ Supermarkt nach einer Fotoerlaubnis für das Eissortiment und dem Hinweis zu einem Artikel zum Social Freezing von Apple & Co., gab es nicht nur sofort die Einwilligung, sondern von einer Verkäuferin den vehementen Ausruf: Das machen Sie richtig. Die spinnen doch. ANDREAS BUBROWSKI

Linksunten: #socialfreezing

  1. Effizienz: Wirtschaftlichkeit; im Gegensatz Effektivität: Maß für die Wirksamkeit