Zu langweilig für die Jugend?
Von Catharina Eichenberg
Die gewagte Rezitation eines Fragments deutscher Literaturgeschichte vor Schülern der Oberstufe.
Verkörperung der verschiedenen wahnhaften Geisteszustände
Selbstironisch kündigt der Schauspieler Reimund Groß seinem überwiegend jugendlichen Publikum an, dass er es mit seiner Lieblingsnovelle, dem „Lenz“ von Georg Büchner, zu langweilen gedenkt. Mit dieser Stückauswahl wagt er sich an die Darstellung des psychisch kranken Schriftstellers Jakob Michael Reinhold Lenz, welcher bei seinem Aufenthalt im Bergdorf Waldbach bei Pfarrer Oberlin verschiedene Phasen des Wahns durchlebte. Erschienen ist die Novelle im Jahr 1839.
Locker und lustig gelingt Reimund Groß mit der Imitation eines nordhessischen Dialekts der Einstieg in die zu rezitierende Materie. Weitere, für ein gutes Verständnis der Novelle nötigen Hintergrundinformationen, folgen in knapper, aber ausreichender Form. Mit dem Erklingen spiritueller Musik verstummt der Raum und Groß scheint ganz in seine Rolle als Lenz zu versinken. Mal hebt er den Blick und schwelgt im Raum, als ob er die naturgewaltige Landschaft, die Büchner kreiert, selbst vor Augen hätte, mal fixiert er einzelne Zuschauer im Publikum. Geschickt bindet Reimund Groß einige Zuspätkommer in die Rezitation mit ein, ohne dabei aus der Rolle zu fallen, was für die restlichen Zuschauer höchst amüsant ist.
Besonders ausdrucksstark gelingt ihm die Verkörperung der verschiedenen wahnhaften Geisteszustände, die Lenz durchlebt. Egal, ob er den tiefsten Schmerz, die höchste Freude, eine Phase des Größenwahns oder die ungebändigte Wut des Lenz‘ darstellt: Alles wirkt authentisch dank der hervorragenden Mimik und der passenden Gestik des Darstellers. Reimund Groß nutzt für sein leidenschaftliches Spiel die gesamte Bühne sowie den Zuschauerraum und verstärkt die Dramaturgie mit gezielt eingesetzten Klängen. Nicht verwunderlich ist es also, dass so manch einen Zuschauer das Gefühl von echter Betroffenheit gegenüber Lenz‘ Schicksal ergreift, weil ihn diese Rezitation völlig in die Gefühlswelt des psychisch kranken Schriftstellers eintauchen lässt.
Auch die rasanten Übergänge zwischen Lenz‘ Anfällen und den äußeren Handlungssträngen funktionieren ausgesprochen gut und erhalten die Spannung aufrecht. Die anspruchsvollen Personenwechsel zwischen zwei so unterschiedlichen Charakteren wie Oberlin und Lenz werden ebenfalls durch stimmliche Anpassungen glaubhaft aufgezeigt, was selbst für erfahrene Schauspieler kein leichtes Unterfangen ist. Umso erstaunlicher, dass Reimund Groß nicht mehr als einen Stuhl, ein Mikrophon und seinen Soundtrack für diese Rezitation benötigt.
Mit regem Applaus und einer Verbeugung von Reimund Groß endet der Auftritt schließlich nach einer Stunde und 17 Minuten. Ich finde, dass sich diese rundum gelungene Darbietung für alle Oberstufenschüler eignet, die das Buch bereits im Unterricht behandelt haben und noch einmal an einer ganz einzigartigen Darstellung von Büchners Werk interessiert sind. Die Rezitation gestaltete sich für mich ebenfalls als eine nützliche Wiederholung für das Abitur. Abschließend lässt sich von dieser Lesung nur sagen: überaus ergreifend und weit entfernt von langweilig.
(Gestaltung: BUB)
Kommentare
Ich bin begeistert davon, dass Reimund Groß es geschafft hat mit diesem Theaterstück uns Schüler zu faszinieren. Wir haben oft dieses Vorurteil, dass die Lektüren die wir für das Abitur brauchen, nicht unserer Zeit entsprechen und somit als „langweilig“ abgestemmpelt werden. Somit fehlt es uns oft an Mutivation wenn es mal wieder heißt: „In drei Wochen müsst ihr alle das Buch gelesen haben“. Zwar haben wir, die den „Lenz“ noch nicht kennen, nicht immer alles verstanden was uns am Mittwoch geboten wurde, aber die Neugierde wurde geweckt.
Ich denke auch, dass Reimund Groß besonders durch seine Mimik und Gestik die verschiedenen Gefühlslagen des Lenz gut dargestellt hat. Da er nicht nur die Bühne für seine Rezitation benutzt hat, sondern auch die Gänge zwischen den Zuschauern, hat er diese somit einbezogen und zum aufmerksamen Zuhören angeregt. Meiner Meinung nach, hat die begleitende Musik Reimund Groß‘ schauspielerische Leistung gut unterstützt. Allerdings war es an manchen Stellen dennoch nicht leicht der Handlung zu folgen, besonders wenn man das Buch zuvor noch nicht gelesen hatte.
Dennoch finde ich, dass die Rezitation dank der guten Mimik und Gestik Groß‘ und der begleitenden Musik nicht langweilig war und die Vorstellung sich gelohnt hat.
Da kann ich nur zustimmen!
Schauspieler Reimund Groß hat durch seine ausdrucksstarke Mimik und Gestik die Person „Lenz“ sehr gut rübergebracht. Ich konnte mir dadurch ein eindrucksvolles Bild von Lenz machen. Da ich ebenfalls das Buch noch nicht gelesen habe, konnt ich dem Geschehen nicht immer folgen. Trotzdem wurde der Zwiespalt in dem der psychisch kranke Lenz sich immer wieder befindet deutlich. Ich denke, dass mir dieses Wissen beim Lesen und erarbeiten des Buch auf jeden Fall weiter helfen wird, da man einen ersten Eindruck bekommen hat. Bewundernswert ist es, dass Reimund Groß auf alle äußeren Einflüsse vorbereitet war und sich nicht aus dem Konzept hat bringen lassen.
Insgesamt war es eine großartige Leistung, die Reimund Groß abgeliefert hat!
Ich bin ebenfalls der Meinung,dass Reimund Groß die Inszenierung des Lenz aus Georg Büchners Erzählung „Lenz“, sehr gelungen ist. Er hat Lenz Charakter sehr überzeugend dargestellt,sodass man sich gut in ihn hinein versetzten konnte.Durch die Musik,die im Hintergrund spielte,wurde man als Zuschauer in Lenz Gedankenwelt mitgenommen und konnte seine Umgebung, die Berge beispielsweise, quasi miterleben.
Besonders beeindruckend war,dass Reimund Groß die gesamte Erzählung auswendig vorgetragen hat und sogar bei etlichen „Unterbrechungen“ während des Vortrages nicht den Faden verloren hat. Allerdings habe ich das Buch „Lenz“ noch nicht gelesen,wodurch sich mir einige Handlungsabschnitte nicht erschlossen haben. Letztendlich denke ich aber,dass der Vortrag allen etwas gebracht hat,auch wenn einige das Buch nicht kennen. Man hat somit schon einmal einen Eindruck von Lenz Charakter bekommen,was denke ich sehr hilfreich bei der Bearbeitung des Buches im Unterricht ist.
Ich finde auch, dass Reimund Groß die Schüler gut unterhalten hat, auch wenn einige es vielleicht als langweilig empfunden haben. Er hat den Wahnsinn von Lenz perfekt verkörpert und die Schüler, aufgrund seiner schauspielerischen Leistung, mit in dessen Welt genommen. Es war verblüffend wie schnell er in die verschiedenen Rollen schlüpfen konnte und sie glaubhaft vermittelte. Die Musik, die während der gesamten Vorführung im Hintergrund lief, verstärkte die momentane Stimmung noch zusätzlich. Ich denke auch, gerade weil Reimund groß keine weiteren Requisiten einsetzte wirkte das Stück sehr authentisch und man konzentrierte sich ausschließlich auf den Schauspieler. Allerdings war es für mich schwer dem Handlungsverlauf immer zu folgen, da ich das Buch noch nicht gelesen habe. Trotzdem denke ich, dass es sehenswert war und man sich auch noch weitere Stücke von Reimund Groß ansehen könnte.