Oberurffer Gespräche: Bildschirmkonsum und Folgen für Kinder und Jugendliche
Von Marise Moniac
Zu Gast bei den vor kurzem ins Leben gerufenen Oberurffer Gesprächen war Prof. Matthias Grünke von der Humanwissen-
schaftlichen Fakultät der Universität Köln.
Bildschirmkonsum: öfter mal abgeschaltet lassen. (*)
Vor 60 interessierten Eltern und Lehrern referierte er in der Cafeteria der Schule zum Thema „Bildschirmkonsum und seine Folgen für Kinder und Jugendliche“.
Übergewicht – eine der Folgen unkontrollierten Medienkonsums
Die rasante Entwicklung der Technik in den letzten 30 Jahren habe die Alltagswelt der Deutschen entscheidend verändert, erklärte Grünke anhand zahlreicher Beispiele wie Handy und Bankkarte, und auch das Fernsehprogramm von heute lasse sich an Auswahl, Banalität, aber zugleich auch Brutalität mit dem von früher kaum vergleichen. Der Referent nannte erschreckende Zahlen zum Fernsehkonsum und Computerspielverhalten junger Zuschauer. Dabei verhehlte er nicht die durchaus vorhandenen positiven Aspekte bestimmter Lernprogramme, ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass die negativen bei weitem überwiegen.
Realitätsferne Filme und Spiele voller Gewalt verändern laut Grünke die Überzeugungen des jungen Zuschauers – der Jugendliche sehe keine gewaltfreie Alternative mehr, erkenne kaum die drohenden Konsequenzen, missverstehe die Aussage.
Bildschirm im für hervorragende methodische und didaktische Leistung gerühmten Mathematikum Giessen. (*)
Physische Störungen wie etwa Übergewicht sind eine der bekannten Folgen unkontrollierten Medienkonsums. Fast noch schlimmer sind die psychischen Störungen. Prof. Grünke betonte, dass verschiedene Faktoren aufeinander aufbauten und letztendlich ungünstige Perspektiven für das betroffene Kind bedeuteten. Die Folge: Wachsende Aggressivität, schnelles Sich-provoziert-Fühlen, rasche Bereitschaft zur gewaltsamen Reaktion.
Die Untersuchungen bezüglich der Auswirkungen exorbitanten Fernsehkonsums auf die Schulleistungen erbrachten das Ergebnis, dass Kinder, die regelmäßig lange fernsehen und am Computer spielen, deutlich mehr Stresshormone aufweisen als andere Altersgenossen. Sie haben ein messbar schlechteres Gedächtnis und erbringen folglich signifikant schlechtere Schulleistungen.
Kinder unter drei Jahren sollten überhaupt nicht fernsehen
Beeindruckende Ergebnisse der Untersuchungen lassen folgende Schlüsse zu: Kinder unter drei Jahren sollten überhaupt nicht fernsehen. Ältere Kinder sollten nur gemeinsam mit den Eltern fernsehen. Computerspiele sollten allerfrühestens ab dem 4. Lebensjahr eingesetzt werden. Bezüglich des Medienkonsums sollten zwischen Eltern und Kindern genaue Absprachen getroffen werden, die dann auch eingehalten werden müssen.
Die deutlich erkennbaren Zeichen, dass Jungen ob ihres Medienkonsums der intellektuellen Entwicklung von Mädchen inzwischen hinterherhinken, beweisen die Dringlichkeit der Problematik.
Das Fazit: Die Langzeiteffekte quasi unbegrenzten Fernsehkonsums und brutaler Computerspiele sind zwar noch unbekannt, doch umfangreiche Untersuchungen lassen kaum Gutes erhoffen. Selbst Fachleute stehen der Entwicklung ratlos gegenüber und befürchten Schlimmes für die physische und psychische Entwicklung kommender Generationen. Die lebhafte Diskussion nach dem Vortrag bestätigte das Interesse an einem schwierigen Problem unserer Gegenwart.
(*) Fotos/Gestaltung: CJD-UPDATE/abu
Kommentare
Sind „unbegrenzter Fernsehkonsum und brutale Computerspiele“ nun Ursache oder eher Wirkung?
Der Artikel Wie gefährlich sind Plastiksoldaten und Minipanzer…? mag helfen, den Blick über die elektronischen Medien hinaus zu erweitern. Denn möglicherweise ist eine unterschwellige Millitarisierung der Gesellschaft nicht unwesentlich eine Ursache für die Lust Jugendlicher an Gewaltspielen.
Es ist richtig, sich gegen brutale Computerspiele zu engagieren. Aber was ist mit dem Kriegsspielzeug? Etwa einem der aktuellen Renner des Fachhandels – dem kompletten Satz an Panzern und sonstigem Kriegsgerät der Bundeswehr im Afghanistan-Einsatz – nicht virtuell, sondern in handfester Miniaturausgabe?