Konzentration und Aufmerksamkeit kann man lernen
Von Andreas Bubrowski
Kurve T1 (rot): Gehirnpotential nach
intensivem Meditationstraining; T2: davor
(Abb.: doi:10.1371/journal.pbio.0050166)
Das Kind klagt. Es würde in Mathematik nichts verstehen. Fragt man den Lehrer, heißt es dagegen, der Schüler würde nicht mitarbeiten, nie Fragen stellen und nicht lernen. Das lässt Eltern zweifeln und verzweifeln. Denn zweimal pro Woche kommt der Nach- hilfelehrer. Fast täglich sitzt der Sohn oder die Tochter über dem Mathematikbuch, manchmal über eine Stunde. Von NICHT-LERNEN kann daher doch keine Rede sein. Und doch wird es auch bei der nächsten Klassenarbeit wieder nur ein Ungenügend. Ein Teufelkreis. Neueste Forschungsergebnisse von Neurowissenschaftlern zeigen, es gibt dennoch einen Ausweg. Die Zauberformeln heißen „attentional blink“ und Vipassana-Meditation (*).
Rachel Jones berichtet im freien Wissenschaftsportal PLoS Biology (s. Linksunten) darüber, dass und wie man seine Aufmerksamkeit und Konzentration verbessern kann. So haben Wissenschaftler das Verhalten von Versuchspersonen untersucht, die einen schnellen Strom von Abbildungen zu beobachten und das Gesehene zu beschreiben hatten. Dabei war aufgefallen, dass manche Ziele, etwa eine Zahl, völlig untergingen. Grund: Das Gehirn war noch mit der Erfassung und Verarbeitung der vorhergehenden Abbildung beschäftigt.
Kann das nicht auch im Unterricht eintreffen, dass ein Schüler seine Aufmerksamkeit etwas länger auf die „vorhergehende Abbildung“ – also den gerade behandelten Stoff – richten muss, und dadurch mental gar nicht im HIER UND JETZT sein kann? Und folglich auch keine Fragen stellen oder aktiv am Unterricht teilnehmen kann?
Im zweiten Schritt hatten sich die Versuchspersonen einem intensiven Meditationstraining, der Vipanassa-Meditation, zu unterziehen. Nach drei Monaten zeigte sich, dass das Gehirn der Beteiligten signifikant aufmerksamer und konzentrierter arbeitete. Der „additional blink,“ die Aufgabe, bestimmte Figuren in einem schnellen Strom von Abbildungen zu erkennen, wurde deutlich besser gelöst. Das Messen von Gehirnströmen bestätigte die Beobachtungen.
Fazit: Intensives mentales Training vermag den Umgang des Gehirns mit seinen Ressourcen nachhaltig zu verbessern.
Für Schüler ist das eine Hoffnung machende Erkenntnis. Im Unterricht wird der „Strom an Inhalten“ wesentlich durch den Lehrplan vorgegeben, kann also vom Lehrer kaum gedrosselt werden. Wenn dem Schüler auch intensives Pauken keinen Erfolg bringt, könnte es am „additional blink“ liegen. DEN aber kann er beeinflussen. WENN ER WILL. Dazu gibt es einige Möglichkeiten:
- Den „täglichen Bilderstrom“ auf das Notwendige reduzieren
- Konzentrationsübungen
- Einen die Konzentration fördernden Sport betreiben, etwa Aikido oder Tai Chi
- Lernphasen eher kurz, aber intensiv und absolut störungsfrei planen.
Und ES WOLLEN!
(*) Vipassana-Meditation: Jahrtausende alte Meditationstechnik aus Indien. Sie besteht im aufmerksamen und konzentrierten Beobachten aller Daseinsphänomene. Verbunden mit einer zurückhaltenden Lebensweise (nicht mit Askese zu verwechseln!). Das ist natürlich nichts für Kids ~X(. Es zeigt jedoch die Richtung an, wie mit einer Lernschwäche SELBSTBEWUSST und AKTIV umgegangen werden kann.
Zum Vertiefen: Mental Training Affects Distribution of Limited Brain Resources
Linksunten
Artikel im Original: Learning to Pay Attention
Kommentare
Sehr interessant, dass Meditation helfen kann, die Konzentration zu verbessern. Ich habe nun schon einige Meditationen gemacht und habe das Selbe festgestellt. Ich bin seither viel konzentrierter. Aber nicht nur das: Ich kann Informationen viel schneller abrufen, kann mich an mehr erinnern und bin zu allem noch viel glücklicher mit meiner neu gewonnenen Kraft. Erstaunlich was alles möglich ist mit regelmässigem Training fürs Gehirn.
Beste Grüsse