(Foto: NASA, Deep Impact
Gallery)

Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus
Und segnet Fried und Friedenszeiten.“

Goethe, Faust I (Vers. 860 ff)

(Foto: NASA,
Deep Impact Gallery)

Man muss kein Dichter sein, um sich vorstellen zu können, wie Goethe angesichts von „Deep Impact“, heute seinen „Anderen Bürger“ hätte zu Wort kommen lassen.

Statt „Krieg und Kriegsgeschrei“ würde er vielleicht „Krieg der Sterne“ setzen. Und „Wenn hinten, weit, in der Türkei…“ könnte leicht zu „Wenn hinten weit im All die NASA Zielschießen auf Kometen übet“ werden.

Den dritten Bürger hingegen, müsste er kaum adaptieren:

„Herr Nachbar, ja! so lass ich‘s auch geschehen,
Sie mögen sich die Köpfe spalten,
Mag alles durcheinandergehen;
Doch nur zu Hause bleibt‘s beim alten.“

Hier müsste nur „Köpfe“ durch „Kometen“ ersetzt werden.

Die Mission „Deep Impact“ wird von der PR-Abteilung der NASA erfolgreich als segensreich für Mensch und Umwelt verkauft. Wir lesen, hören und sehen fasziniert, wie heute, gegen 7.50 Uhr (MEZ), in 133 Mio. Kilometer Entfernung von der Erde auf den Kometen „Tempel 1“ Zielschießen geübt wurde. Zwar ist die NASA eine eng mit dem US-Militär verbundene Forschungseinrichtung. Doch in dem Fall besteht kein Grund für Hintergedanken.

Es seien keine Bomben und Sprengstoffe an Bord des Geschosses, versichert die NASA. Der Schuss entfalte seine Wirkung allein durch die beim Aufprall entfesselte kinetische Energie. Ein friedlicher Schuss sozusagen. Und für den Physik-Unterricht gibt es – wie zum Beweis – schöne Sachaufgaben zum Knobeln, Lösung inklusive.

Physik-Sachaufgabe: Mission Deep-Impact

„Safer“ ist in engen zwischenmenschlichen Beziehungen eine Selbstverständlichkeit. Ob es nicht besser wäre, auch im Umgang mit fernen Raum-Zeit-Welten diese Form des „Verkehrs“ der groben und zerstörerischen vorzuziehen? Kann dem Goetheschen Leitspruch,

„Daß ich erkenn, was die Welt
Im Innersten zusammenhält.“

(Vers 382/383)

nur durch Zerstörung entsprochen werden? Ist die „beglückende“ Erkenntnis,

„Das also ist des Pudels Kern!“
(Vers 1.323)

allein durch Gewalt zu erlangen?

Im Gymnasium, Jahrgangsstufe 8, haben wir einmal einige Minuten laut darüber nachgedacht. Die Schüler waren erfreulich gut informiert. Einige wussten sogar, dass die Mission über 250 Mio. Dollar kostet. Und da es am Wochenende „Live 8“ gegen den Hunger in Afrika gab, kamen alle von allein auf den Gedanken, wie viele Menschen man mit diesem Geld hätte vor dem Hungertod retten können.

Gut zu wissen, dass hier Wissenschaftler heranwachsen, die mit- und nachdenken. Keine ANDEREN oder DRITTEN Bürger, wie aus der Tragödie FAUST. Safer Science hat also eine Chance.

w.

(Goethe-Zitate: Johann Wolfgang Goethe, FAUST – Eine Tragödie, Erster Teil. Leipzig 1971)