Von Wiebke Losekamp

Wahrzeichen der University
of Kentucky: Memorial Hall

Seit meiner Teilnahme 1997 am Schüleraustausch mit der Charlotte Latin School war für mich klar: Während des Studiums möchte ich auf jeden Fall ins Ausland! Das Ziel war offen, aber die Vereinigten Staaten hatten mich schon immer gereizt. Im vierten Semester Medien- und Politikwissenschaft an der Universität in Trier war es dann soweit: ich schrieb meine Bewerbung für ein einjähriges Studium an einer US-Universität. Viel Schreibkram. Lebenslauf, Begründungs-schreiben, Nachweis von Kursen an der Uni, Sprachnachweis. Alles auf Englisch natürlich und mit genug Hindernissen verbunden.

Studentenwohnheim Jewell Hall

Mal ging der Computer nicht, mal hatte das Amt zu, von dem ich einen Stempel brauchte, zum Sprachnachweis musste ich nach Frankfurt zu einem Test fahren. Im November 2002 habe ich dann doch die vollständigen Unterlagen beim Akademischen Auslandsamt abgegeben und habe auf positive Antwort gehofft. Ich wurde zunächst zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen (auf Englisch und Deutsch). Danach hieß es sich in Geduld üben. Warten auf einen Bescheid, ob ich in die USA fahren darf und wenn ja, an welche Universität.

Crew der Internationalen

Im Frühjahr 2003 kam die Antwort: University of Kentucky in Lexington (Kentucky). Die Uni hat 30.000 Studis und die Stadt ca. 300.000 Einwohner. Am Anfang war ich gar nicht so begeistert, hatte auf eine andere Universität und einen anderen Bundestaat gehofft. Nach einigen Gesprächen mit Freunden in den USA fiel die Entscheidung doch nach Kentucky zu gehen.

Der häuftigste Satz den ich von da an hörte war: Nach Kentucky?! Ich kenne nur „Kentucky fried Chicken“ (Ist eine total schlechte Ami-Fast-Food-Kette, nicht zu empfehlen). Jetzt ging der Stress allerdings erst richtig los. Versicherung, Visum, Unterkunft, Flug, Kurse an der Uni aussuchen. Mir blieb gar keine Zeit mir Gedanken zu machen. Die Angst kam erst 10 Tage bevor ich los fliegen sollte. Warum mache ich so was? Wie sind die Leute da? Schaffe ich das alles? *uaaaah* Und dann saß ich plötzlich im Flieger!

Zum Glück hatte ich einen Stopp in Charlotte, North Carolina, bei meinen Freunden aus der Zeit an der Charlotte Latin School geplant. Da konnte ich mich eingewöhnen, Zuspruch abholen, mich gedanklich einstimmen und mein Englisch aktivieren. Dann war es soweit: ich stand plötzlich in Lexington auf dem Flughafen und wurde von Leuten von der Uni abgeholt.

Franz. Mitbewohnerin (re.) und ich

Die ersten Tage habe ich ein bisschen wie in Trance verbracht. Auch hier wollten tausend Dinge erledigt werden. Aber am Ende hat alles gut geklappt. Ich landete in einem Zimmer, zusammen mit einer super netten Französin. Wir sind inzwischen sehr gute Freundinnen geworden – sie steht mir nah wie eine Schwester.

Ich hatte ein wenig Angst davor, mit wem ich mein Zimmer würde teilen müssen, denn Privatsphäre die gibt es dort nicht mehr. Am Ende aber war ich sehr glücklich mit meiner Zimmergenossin, was nicht die Regel ist. An der Uni waren alle Leute sehr hilfsbereit und haben mir geholfen, mich schell zurechtzufinden und gut einzuleben. Ich wurde ein „Wildcat“, so nennen sich die Sportler dort. Aber eigentlich sind alle Leute, die dort die Uni besuchen, ob im Sport oder nicht, Wildcats. Die Kurse in der Politik- und Medienwissenschaft waren sehr interessant und die Dozenten in beiden Fächern waren sehr kompetent, es hat Spaß gemacht. Klar gab es auch langweilige Stunden, aber im Großen und Ganzen war es toll. Besonders gefallen haben mir die Kurse, die ich in Deutschland nicht hätte besuchen können weil meine und die amerikanische Unis andere Schwerpunkte haben. So habe ich zum Beispiel Kurse über Lateinamerika, das US-amerikanisches Regierungssystem oder auch Mediensystem besucht.

Der Arbeitsaufwand an einer amerikanischen Uni ist ganz anders als in Deutschland. Ich habe selten so viel vorbereitet und gearbeitet – auch weil ja alles auf Englisch gelaufen ist, daran muss sich das Gehirn erst gewöhnen. Lesen, lesen, lesen war die Parole. Außerdem viele Tests und schriftliche Aufgaben absolvieren. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich ein und weiß, welche Dinge man einfach weglassen kann, etwa, um Zeit zum Feiern zu haben und mit Freunden oder Sport zu verbringen. ☺ Ja gefeiert haben wir auch, und das nicht zu wenig. Wir sind abends in Pubs gegangen, waren in Clubs, auf privaten Partys…natürlich nur für die über-21-jährigen. Vorher darf man in den USA weder Alkohol trinken noch in eine Disco gehen. Da ich zu dieser Zeit schon 22 war, was dieses zum Glück keine Hürde mehr.

Ich habe in diesem Jahr viele gute Freunde aus den verschiedensten Ecken der Welt kennen gelernt, natürlich auch aus den USA – aber eben auch aus England, Frankreich, Australien, Norwegen, Nicaragua oder Schweden. Jetzt habe ich sooo viel mehr Reiseziele. Beim Stichwort Reisen fällt mir ein, ich habe meine freie Zeit (vor allem die Ferien) genutzt, um mir verschiedene Gegenden in den Staaten anzusehen. Aber davon erzähle ich Euch in einem anderen Beitrag …

Einkaufen im Walmart

Fazit: Auslandsaufenthalt lohnt sich! ;-) Das war eines der tollsten Jahre in meinem Leben. Eine Zeit, die ich nie vergessen werde – im Positiven wie im Negativen. Jetzt fragt ihr Euch sicher, was negativ war. In einem fremden Land leben ist nicht immer einfach, man vermisst zu hause, man wird mit Menschen konfrontiert die ganz anders aufgewachsen sind als man selbst und es ergeben sich Konflikte, außerdem ist (wie auch hier in Deutschland) das Leben eben nicht immer schön. Was bleibt mir nun, da ich wieder zurück bin, außer meinen Fotos und anderen materiellen Erinnerungen?

Ich habe unheimlich viel über mich selbst gelernt, eine Sprache fließend sprechen, schreiben und lesen gelernt, in einem fremden Land gelebt und es geschafft, alleine zurecht zu kommen. Außerdem habe ich Freunde gefunden, die mir hoffentlich bis an mein Lebensende erhalten bleiben.

Nutzt Eure Chancen, am Schüleraustauschprogramm unserer Schule teilzunehmen. Aus sicherer Quelle, die an dieser Stelle ungenannt bleiben will, weiß ich, dass sich das Angebot wahrscheinlich vergrößern wird. Ich selber war als Schülerin im Frankreich-, Schottland- und USA-Austausch. Auch das waren tolle Wochen – fremde Länder und Kulturen, neue Leute, andere Sprachen! Da schlägt mein Herz höher. Also auf geht’s, hoffentlich auch für Euch!

Ich freu mich über Kommentare, Fragen oder Kritik.

(Fotos: Wiebke Losekamp)