Maria (10e), CJD-Update-
Redakteurin im Selbstversuch

Barrierefreiheit ist wieder in aller Munde. Das war schon einmal so. In den frühen 1990er Jahren wurden Behörden und Bahnhöfe mit Rampen und speziellen Aufzügen versehen, Busse und Bahnen des öffentlichen Verkehrs erhielten absenkbare Eingänge. Rollstuhlfahrer waren fortan nicht mehr auf die Hilfe ihrer Mitmenschen angewiesen. Mit zunehmender Ausweitung des Internet türmen sich vor Menschen mit einem Handicap erneut bedrohliche BARRIEREN auf. Sehbehinderte Menschen können weder Steuerformulare downloaden noch sich über das aktuelle Theaterprogramm informieren. Und ältere Menschen empfinden oft allein schon das Schreiben auf einer Tastatur als etwas Feindliches. Selbst wenn Sie LehrerInnen sind. Maria Ordemann, Redakteurin der Weblog-AG, hat getestet, wie es wäre, „von hier an blind“ zu sein…

Von Maria Ordemann

„Von nun an alles barrierefrei!“ Doch was bedeutet das genau, werden Sie jetzt fragen. Um das herauszufinden, begleiten Sie mich zunächst in das Leben eines Blinden. Wir werden dabei unerwartet viele „Barrieren“ finden. Ich habe eine Zeit lang an mir selbst versucht, „blind“ durch den Alltag zu kommen. Das habe ich getan, um Ihnen diese Frage aus erster Hand beantworten zu können. Warum? Damit Sie und ich verstehen können, dass BARRIEREFREIHEIT im Informationszeitalter ein GRUNDRECHT ist oder sein sollte.

Ein Tag im Leben einer „Blinden“

Als ich heute Morgen aufgewacht bin und alles trotzdem schwarz war, wusste ich gar nicht, ob es nun wirklich Morgen war. Klingt banal, doch diese Ungewissheit war schrecklich! Doch dann hörte ich das Gezwitscher der Vögel durch das offenbar gekippte Fenster: für mich ein ganz neues Lebensgefühl, vom Gesang der Vögel aufzuwachen! So bekam dieser schwarze Morgen doch noch etwas Wunderbares.

Beschwingt stand ich auf und humpelte ins Badezimmer: Heute lieber nur Katzenwäsche! Das Waschen ging ganz einfach, nachdem ich mich entschieden hatte, dass heute Morgen der nasse Waschlappen im Gesicht genügte. Das einzige Problem war das Pflaster auf meinen Augen, dass sie vor dem Licht schützen sollte. Das Zähneputzen war schon schwerer. Versuchen Sie mal blind die Zahnpasta auf die Zahnbürste zu bekommen! Aber auch diese „Barriere“ konnte ich meistern.

Das Frühstück bereitete mir heute meine Mutter zu, also musste ich mich nicht der Gefahr aussetzen, mir die Hand abzuhacken… Was als Nächstes tun? Nach draußen wollte ich nicht, das traute ich mich nicht. Lesen konnte ich auch nichts. Es gab wenig, was ich konnte, doch es gibt ja diese tollen Dinger namens Hörbücher! Also Hörbuch hören. Nachdem ich damit fertig war, gab es Mittagessen. Das wurde schon um einiges schwerer! Blind mit Messer und Gabel essen? Na ja, nach einer Weile habe ich mir lieber alles klein schneiden lassen und mit einem Löffel gegessen. Ich hatte eine weitere Barriere gemeistert und schaffte auch sonst den Rest des Tages ganz gut.

Doch war ich nur auf Zeit blind und meine Eltern hatten sich extra Zeit genommen, um mir helfen zu können. Was wäre gewesen, wenn sie nicht da gewesen wären? Auch habe ich nicht allzu viele Barrieren meistern müssen, da ich mich nur im Haus oder auf dem Balkon aufgehalten habe. Es gibt viele Barrieren, die ein Blinder meistern muss, nicht zuletzt die Barriere zu seinen eventuell nicht allzu aufgeschlossenen oder aufgeklärten Mitmenschen.

Punktschrift für sehbehinderte Menschen

(Foto: Juliane Appel, Collage: Andreas Bubrowski)