Von Andreas Bubrowski

pubertaet(Bild: Bubrowski/CJD-Update)

Wer das erste Mal vom CHILLEN hört, mag denken, hier geht es darum, jemandem einzuheizen oder etwas scharf zu machen, so wie eine Chili-Schote halt. Doch das genaue Gegenteil ist gemeint. CHILLEN bedeutet lässig zu sein, locker und abgeklärt – kurz COOL zu bleiben in allen Lebenslagen. Das aber fällt besonders in der Pubertät schwer, die immer früher anfängt und länger dauert. Für Jugendliche, Eltern und Lehrer ist das eine Horror-Phase. Die körperliche Geschlechtsreife setzt bei Jugendlichen immer früher ein, verursacht in den noch unerfahrenen Noch-Kind-Seelen heftige Turbulenzen.

Drogenabhängigkeit, Essstörungen und Selbstverstümmelungen, wie Ritzen und Piercen, Alkoholmissbrauch und – besonders unter Jungen – Gewaltexzesse, schließlich Schulprobleme aller Art. Die Liste der Krisensymptome ließe sich fortsetzen. Wie nun damit als Erwachsener umgehen?

Unter der Headline „Monsterkind sucht Heldeneltern“ geht die Süddeutsche Zeitung in ihrer gestrigen Freitags-Ausgabe ausführlich auf die Flut von Ratgebern zum Thema PUBERTÄT ein. Herausragend dabei die These von Kurt Kreppner vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Für ihn trifft vor allem die sich modern gebenden Eltern die Schuld. Anstelle sich den kleinen Egos anzubiedern oder sie noch mehr aufzublasen, empfiehlt er DISTANZ und SOUVERÄNITÄT.

Wenn sie Fehler vermeiden wollen, hätten Erwachsene folgendes zu leisten:

(1) alle Entwicklungsschritte mit Verständnis begleiten
(2) NIE das Gefühl vermitteln, das Kind werde im Stich gelassen
(3) immer souverän bleiben
(4) eine lange Leine lassen, ABER …
(5) … klare Regeln aufstellen
(6) Distanz erlauben und selbst halten
(7) Kinder NICHT zu Partnern machen
(8) NICHT meinen, alles verstehen zu müssen
(9) sich nicht anbiedern

Für Lehrer scheinen besonders die Punkte drei bis neun relevant. Wenn man dem Max-Planck-Institut glauben darf, tut es dem Jugendlichen in seinen hormonellen Wechselbädern mehr gut, eine warmherzige, kompetente, aber sehr wohl distanzierte Respektsperson vor sich zu haben.

Der sich kumpelhaft gebende und gemein machende Lehrer ist dagegen nicht das, was die Halt suchende Seele WIRKLICH braucht. Pubertät sei schließlich auch eine Form des ABLÖSENS vom Kindsein, was Eltern und Schule einschließt. Sich hier mental und emotional zu sehr der Welt der Jugendlichen zu nähern, würde deren natürlichen Lösungsprozess eher behindern.

SOUVERÄNITÄT bezieht sich dabei AUCH auf den Fall, dass einen die „kleinen Monster“ durch Worte oder Handlungen an den Rand des Erträglichen treiben. Die Jugendlichen MÜSSTEN sich schließlich mit einer oder mehreren Bezugspersonen auseiandersetzen. Mit anderen Worten: Ein Lehrer darf schon mal weinen oder einen Wutausbruch haben. Tadel und Schulverweis sollten aber SOUVERÄN zum Einsatz kommen. Und NIE in einem verstoßenden Sinne von „so du mir – so ich dir.“

Das ist leichter gesagt als getan. Man muss dem auch nicht vorbehaltlos zustimmen. Nachdenkenswert ist es allemal.

Vielleicht stimmt das Gleichnis vom Wildbach doch? Der braucht nämlich konkrete und durchaus hier und da hohe Ufer. Einmal, damit der eigene Lauf geregelt wird. Aber auch, damit die wilden Wasser gelegentlich die Ufer übertreten können. OHNE Uferbefestigung würde das Wasser ziel- und kraftlos in der Ebene versanden. Sumpf würde sich bilden… (w)

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Süddeutsche Zeitung: Monsterkind sucht Heldeneltern

Max-Planck-Institut für Bildungsforschung

Zitate: Mit freundlicher Genehmigung von Süddeutsche Zeitung Content