Von Katharina von Urff

Wenn Jugendliche Gewaltvideos aus dem Internet herunterladen oder 7 % der deutschen Schüler vor dem Unterricht oder in den Pausen kiffen – dann sind in auch die Erwachsenen mitverantwortlich. Und zwar hauptsächlich, weil sie nichts merken, gleichgültig sind oder nicht reagieren.

Drogen-MusterDrogenhöhle Musischer Pavillon: Kripo zeigt Drogenutensilien.
Foto: privat

„Erziehung ist etwas sehr Aktives“, so Kriminalhauptkommissar Giesa aus Homberg, der den Vortrags- und Diskussionsabend eröffnete. Ihm ging es darum, den anwesenden Eltern, Lehrern und Erziehern (leider eine recht kleine Gruppe, die dafür die Gelegenheit, Fragen zu stellen, umso intensiver nutzte) Tipps zur Früherkennung zu geben und die hilfreiche Rolle von Polizei und Jugendgerichtsbarkeit realistisch einzuschätzen.

Prinzip ‚Erziehung vor Strafe’

Das Prinzip ‚Erziehung vor Strafe’ im JGG (Jugendgerichtsgesetz) hob auch Jugendstaatsanwalt Harz aus Marburg hervor. Harz erläuterte, dass es den Jugendlichen bei Delikten wie Schwarzfahren oder Ladendiebstählen oft erst mal um ein Austesten von Grenzen geht. Ausprobieren, wie man sich fühlt und ob man wirklich erwischt und bestraft wird.

Drogen-MusterKommissar Giesa, Hr. Czypull,
der den Vortrag organisierte,
und interessierte Eltern.

Foto: privat

Wenn man älter als 14 ist und ähnliches mehrfach vorkommt, versucht der Jugendstaatsanwalt in enger Zusammenarbeit mit Sozialpädagogen der Jugendgerichtshilfe ein Gerichts- verfahren zu vermeiden und gemeinsam mit den Eltern Erziehungsmaßnahmen festzulegen. Das können Anti-Aggressions-Training, Arbeitsstunden oder auch ein Drogentherapie sein – je nachdem, welches Problem der Jugendliche hat. Bei gewaltbereiten Wiederholungstätern können es auch Geldstrafen oder Jugendarrest sein. Besonders wichtig sei ihm aber der Täter-Opfer-Ausgleich, so der Jugendstaatsanwalt, denn das trage zu einer persönlichen Konfliktlösung bei.

Was sind die häufigsten Delikte bei Jugendlichen? Am häufigsten kommen Diebstahl mit 43% (davon Ladendiebstahl 23,5%) und Körperverletzung (17,3%) und Sachbeschädigung (11,2%) vor. Fälle, mit denen sich Jugendstaatsanwalt Harz in letzter Zeit häufiger befassen musste, waren Fahren ohne Führerschein oder mit getuntem Motorrad. Kaum ein Jugendlicher wisse, dass dann bei einem Unfall die Versicherung nicht zahlt. So kann der ersehnte Start in die Volljährigkeit mit einem riesigen Schuldenberg beginnen, noch dazu ohne Aussicht auf den richtigen Auto-Führerschein, weil es für dieses Fehlverhalten Punkte in Flensburg gibt.

“Das habe ich nicht gewusst“

“Das habe ich nicht gewusst“ – damit weder Eltern noch Lehrer das in Bezug auf Utensilien zum Drogenkonsum sagen können, führte Herr Giesa anschaulich vor, mit welchen selbst gebastelten Geräten oder auch gekauften Pfeifen Jugendliche Haschisch rauchen. Beschlagnahmte Tafeln von Haschisch, Ecstasy-Pillen, Crack und Kokain konnten die Zuhörer genau in Augenschein nehmen. Wichtig sei es, so Kommissar Giesa, Anzeichen von Drogenkonsum frühzeitig zu erkennen und vorsichtig, nicht vorwurfsvoll mit den Jugendlichen darüber zu reden. Deshalb erläuterte er auch psychische und körperliche Veränderungen, die Erwachsene bei Jugendlichen bemerken können. Mit dem selbstbetrügerischen Vorurteil, Haschisch sei ja nicht wirklich schädlich, so wie Heroin oder Kokain, räumte er auf, indem er berichtete, dass bei jedem 5. regelmäßigen Cannabis-Konsumenten unheilbare Psychosen wie Schizophrenie vorkommen.

Tatwerkzeug Handy

Gegen Ende des Vortrags wurde noch kurz auf das aktuelle Problem von Gewaltvideos und –fotos auf Handys eingegangen. Eindrücklich schilderte Kommissar Giesa ein besonders brutales Video, das sich Jugendliche aus dem Internet herunterladen können. Einschlägige Internetadressen nannte er für diejenigen, die diese Bilder selbst sehen wollen.

Was können wir tun? Mit der Antwort wurde der Bogen zum Anfang geschlagen: schauen, was die Jugendlichen auf ihren Handys haben, welche Internetseiten sie besuchen – also aktiv sein und nicht wegschauen. Weitere Tipps, hilfreiche Adressen, auch im Internet, gibt es in den drei Broschüren („Sehn-Sucht“, „Klicks-Momente“, „Wege aus der Gewalt“), die zum Mitnehmen und Nachlesen bereitlagen.

Es wäre schön, wenn diese Themen auch Schülern vorgestellt würden – falls die Vortragenden nicht zu enttäuscht von der geringen Resonanz der Erwachsenen waren.

Linksunten:

www.handysektor.de