Theateraufführung: Vom Umgang mit Frühlingsgefühlen
Von Marise Moniac (Deutschlehrerin)
(Foto: M. Moniac/cjd-update.info)
Was tun, wenn die Frühlings- gefühle erwachen, aber niemand fähig oder willens ist, einem Heranwachsenden zu erklären, was es damit auf sich hat? Was tun, wenn ringsumher Scheinheiligkeit und Heuchelei das Sagen haben, wenn sich selbstzufriedene Spießer auf die Schulter klopfen, wenn ratlose Jugendliche keine Chance gegen Dummheit, Ignoranz und Bigotterie haben?
In ihrer neuesten Inszenierung setzte sich die Theatergruppe Morituri mit dem schwierigen Prozess des Erwachsenwerdens auseinander. Grundlage war die Kindertragödie „Frühlings Erwachen“ von Frank Wedekind aus dem Jahr 1891, die das bittere Scheitern junger Menschen vorführt, die ihrer sexual- und letztlich lebensfeindlichen Umwelt nicht gewachsen sind.
(Foto: M. Moniac/cjd-update.info)
Die jungen Darsteller hatten gemeinsam mit ihrer Leiterin Ira Sala die Grundthematik beibehalten, die Originalvorlage allerdings stark verändert. In zumeist pointiert zugeschnittenen Szenen zeigten sie die Nöte eines Moritz Stiefel, der um sexuelle Aufklärung fleht und zudem am unmenschlichen Schulsystem zerbricht. Sie zeigten die verlogene Mutterliebe einer Frau Bergmann, die ihre Tochter Wendla vor dem Erwachsenwerden bewahren möchte und damit dem Verderben Tür und Tor öffnet. Sie zeigten weiterhin das Zerrbild eines Lehrerkollegiums, das stotternd und lispelnd über Zugluft streitet und den jungen Melchior Gabor mit leichter Hand der Korrektionsanstalt opfert.
(Foto: M. Moniac/cjd-update.info)
Selbstmord, Vergewaltigung, Abtreibung mit tödlichem Ausgang – Wedekinds Stück spart nicht mit drastischem Inhalt. Es ist über 100 Jahre alt; seitdem hat sich schließlich eine Menge verändert, könnte man meinen. Hat es das? Die hinzugedichteten Szenen aus der Gegenwart ließen den Zuschauer zweifeln. Engstirnige Biedermänner gibt es immer noch, und ob zwielichtige Berater jungen Mädchen wirklich weiterhelfen, bleibt dahingestellt.
Die Darsteller der Jahrgangsstufen zehn bis dreizehn waren mit höchst konzentriertem Ernst bei der Sache und überzeugten mit großem Engagement und dramatischem Talent. Schon die rein körperliche Leistung der Schüler war bei dem raschen Szenenwechsel, den zahlreichen Rollen und dem dadurch notwendigen Umziehen und Umbauen im Dunkeln wirklich keine Kleinigkeit. Lichteffekte und Live-Musikeinlagen trugen zum Erfolg der Aufführung bei. Das Publikum belohnte die sehenswerte Vorstellung mit kräftigem Applaus.
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