Abenteuer Ferien: Freiwilligendienst in Armenien
Von Fee Gerlach (Jahrgangsstufe 12)
Armenien … wo liegt denn bitte Armenien?“ Das war wohl der Satz, den ich am meisten zu hören bekam, wenn ich ankündigte, in den Sommerferien nach Armenien fahren zu wollen.
Die Autorin Fee Gerlach in Oberurff. Bild: Andreas Bubrowski
Diese Frage ist in der Tat nicht so einfach zu beantworten. Denn schon bei der Klärung, auf welchem Kontinent Armenien liegt, muss man schwer nachdenken. Zwischen Türkei, Georgien, Aserbaidschan und Iran eingebettet, gehört Armenien geographisch eigentlich zu Asien. Aber wegen seiner zum Teil sehr westlichen Kultur wird Armenien manchmal auch zu Europa gezählt.
Armenien war ursprünglich ein sehr großes Land. Aber nach vielen Kriegen und der Zeit in der Sowjetunion ist es heute nur noch ungefähr so groß wie Brandenburg mit etwa drei Millionen Einwohnern. 90 Prozent des Territoriums liegt oberhalb 1.000 Meter über dem Meeresspiegel. Der Ararat (der Berg, auf dem die Arche Noah nach der Sintflut gelandet sein soll) ist das Wahrzeichen Armeniens. Früher zu Armenien gehörig, liegt das Bergmassiv heute auf türkischem Staatsgebiet. Kulturell ist Armenien ein Land zwischen Ost und West. Als erstes christliches Land der Welt sticht es heraus zwischen muslimischen Ländern wie dem Iran und Aserbaidschan. Armenien ist ein sehr armes Land, das von Kriegen und Naturkatastrophen gebeutelt ist. Aber darauf komme ich später zurück.
Was machst du denn in Armenien?
Die zweite Frage, die mir häufig gestellt wurde, war: „Was machst du denn in Armenien?“ Ich hatte mich schon länger für Volunteering (Freiwilligendienst) interessiert. Vor allem die Arbeit mit Kindern reizte mich. Also informierte ich mich auf der Seite der Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste (www.ijgd.de ) was denn mit meinen 17 Jahren möglich wäre. Und dort fand ich das Angebot, zusammen mit 14 Leuten aus allen möglichen Ländern einige Wochen in einem SOS-Kinderdorf in Armenien zu arbeiten. Nach kurzer Bedenkzeit beschloss ich, das Wagnis einzugehen. Dank der netten und effektiven Betreuung durch den ijgd (an dieser Stelle möchte ich Christa Knobloch für die nette Vor- und Nachbetreuung danken), war mein Platz in diesem Programm auch schnell gesichert.
Der von mir selbst finanzierte Flug war gebucht und so verbrachte ich die letzten Wochen in Aufregung, aber auch ein bisschen mit Angst. Ich fragte mich, ob ich vielleicht die einzige in meinem Alter sein würde und ansonsten nur Menschen in mittlerem Alter am Programm teilnehmen würden. Diese Sorge war gänzlich unberechtigt, wie ich später merken sollte. Also packte ich am 24. Juni 2008 voller Aufregung und Vorfreude meinen Koffer. Am nächsten Tag sollte die Reise beginnen.
One Night in Moscow
Meine Mutter fuhr mit mir mit dem Zug zum Frankfurter Flughafen, begleitete mich noch zum Check-in und dann war Zeit zum Verabschieden. Schon in den Tagen vor meiner Abreise merkte ich, dass meine Mutter aufgeregter war als ich, was sich unter anderem durch immer wiederkehrende Kommentare „du brauchst unbedingt noch …“ oder „hast du daran gedacht?“ äußerte. Jetzt begann also meine erste große, eigenständige Reise. Bis zu diesem Punkt war noch alles in Ordnung. Geplant war, dass ich um 19 Uhr nach Prag mit Czech Airlines fliege, und von da aus weiter nach Yerewan (Hauptstadt von Armenien). Dort würde dann unser Teamleiter Vahe auf mich warten. Aber es sollte alles anders kommen…
Eine dreiviertel Stunde vor Abflug wurde uns mitgeteilt, dass der Flug nach Prag aufgrund eines starken Unwetters Verspätung hätte. Passagiere nach Yerewan wurden aufgefordert, sich zu melden. Ich meldete mich also und erfuhr, dass ich nach Moskau umgebucht und von dort aus nach Yerewan weiterreisen würde. Der Flug nach Moskau sollte um Mitternacht starten. Das störte mich eigentlich gar nicht, denn so hatte ich die Möglichkeit, das Spiel Türkei-Deutschland zu sehen. Das tat ich dann in der Filiale einer allgegenwärtigen Schnellimbisskette; umgeben von türkischen Flughafenarbeitern. Das war ein Erlebnis!
Um 0 Uhr befand ich mich wie geplant in meinem Flieger. Als ich dann in Russland via Transit meinen Flug nach Armenien nehmen wollte, wurde ich abrupt aus meiner Schläfrigkeit gerissen. Zum Glück begleitete mich eine deutsch-armenische Familie, so dass ich wenigsten im Groben erfuhr, was plötzlich nicht stimmte. Die auffällig unfreundliche russische Beamtin sagte nur die ganze Zeit, „no visa, no visa,“ worauf ich nur antwortete, „I don’ t need a visa, this is a transit flight.“ Die Familie klärte mich dann schließlich auf, dass Czech Airlines anscheinend nicht gemerkt hatte, dass der Flug nach Armenien nicht von diesem Flughafen startete, ich also ein russisches Visa brauchte, um weiterreisen zu können.
Die armenische Familie besaß ein Visum, musste daher ihren Flug nehmen und ich stand dann leider alleine da. Da saß ich also in dieser unterirdischen Halle, verwirrt, übermüdet und ohne jemanden an meiner Seite, der mich hätte unterstützen können. Etwa zehn russische Beamtinnen saßen gemütlich in ihrem Raum, lesend, rauchend, essend und Kaffee trinkend. Und nicht nur, dass immer wenn ich in diesen Raum ging und sagte, „Please, let me call somebody, they are waiting for me in Yerewan,“ ich nur auf unfreundliche Weise mitgeteilt bekam, dass ich warten sollte, was hieß auf der Bank sitzen und Mund halten. „Wait, wait, wait“ war alles, was diese Frauen zu mir sagten in den fünf Stunden, die ich dort unten in diesem Halbbunker verbrachte. Sie würdigten dieses weinende Mädchen ansonsten keines Blickes, ganz zu schweigen davon, dass sie mir einen Kaffee oder etwas zu Essen angeboten hätten.
Von Frankfurt nach Yerewan nach Frankfurt nach Yerewan
Armenische Flagge
Anscheinend war es unmöglich, an einem internationalen Airport wie Moskau, jemanden mit Englisch-Kenntnissen zu finden. Um 10 Uhr morgens, mein Flug nach Yerewan war gerade gestartet, kam endlich ein Englisch sprechender Beamter, um sich meiner anzunehmen. Bis dahin wusste niemand Bescheid und auch die Menschen, die in Armenien auf mich warteten, hatten umsonst gewartet und keine Ahnung, was mit mir los war.
Die erste Station war das Konsulat, wo ich informiert wurde, dass es ja kein Problem gewesen wäre, sich einfach ein Visum vor Ort zu kaufen. Nun aber, da mein Flieger bereits weg war, müsste ich mir noch ein neues Ticket kaufen. Da ich natürlich nicht mit Tonnen von Bargeld reiste, war meine Chance, nach Armenien zu kommen, also ins Unmögliche gesunken.
Es war aber möglich, ohne Zusatzkosten zurück nach Frankfurt zu fliegen. Also buchten meine „Betreuer“ mir einen Flug und zwei Stunden später befand ich mich wieder auf dem Weg zurück nach Frankfurt. Meine Mutter erreichte ich telefonisch aus Russland leider nur so lang, dass ich sagen konnte „Hallo Mama, ich bin in Russland, ich komme nicht weiter, die schicken mich wahrscheinlich wieder nach Deutschland.“ Das war natürlich ein Albtraum für meine Mutter. Aber aus Frankfurt rief ich sie dann wieder an und sie hatte schon mit der Czech Airlines ausgemacht, dass ich umsonst einen neuen Flug nach Armenien via Prag bekommen würde.
Nach weiteren vier Stunden kam dann auch endlich mein Gepäck in Frankfurt an, so dass ich mich in einer ranzigen Flughafentoilette umziehen konnte. KLASSE! Um 19 Uhr saß ich dann letztendlich im Flieger nach Prag. Dort gab es dann wieder Verspätung. Um 6 Uhr morgens kam ich dann nach vier Flügen und 47 Stunden Schlafentzug völlig fertig in Yerewan an.
Nächstes Mal: Das Leben im SOS Kinderdorf
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Kommentare
Ich finde es toll, dass du auf eine solche Idee gekommen bist und bin schon ganz gespannt was sonst noch so alles passiert. Mit diesen Erlebnissen gefällt es einem in der Heimat dann doch recht gut,oder?
Die Reise nach Armenien fängt ja richtig ‚gut‘ sprich abenteuerlich an. Bin gespannt, wie’s weitergeht!