Es ist nicht ohne Risiko, als Mathematiklehrer eine AUSSTELLUNG MODERNER MALEREI zum Ziel einer Exkursion mit seiner siebten Realschulklasse zu wählen. Ist das für die „Kleinen“ nicht zu hoch? Zu Recht erntet man zumindest ein Stirnrunzeln vom Fachbereich Kunst. Hinzu kommt, dass ALLE Beteiligten bekennen, den Namen PETER DOIG1 – um diesen Maler geht es – vorher noch nie auch nur gehört zu haben.

Klasse 7g im Foyer der Schirn in Frankfurt am Main: Sie haben keine Ahnung, was auf sie zukommt. Später wird man sie loben. Schüler würden selten so interessiert fragen und engangiert mitmachen.
Bild: Andreas Bubrowski

Doch das unbedarfte (= unvoreingenommene) Herangehen an die Werke eines höchst honorierten Malers der Gegenwart ist genau die Einstellung, die Doig gemeint haben muss, als er einmal nach Sinn und Bedeutung eines seiner Bilder gefragt wurde: JUST A PICTURE („Nur ein Bild“) war die Antwort.

Kunstpädagogik – das interessanteste Angebot

Zugegeben – um Kunst ging es beim Besuch der Schirn2 in Frankfurt am Main letzten Mittwoch zunächst nicht an erster Stelle. Kurz vor Ende des ersten Halbjahres wollten Schüler und Klassenlehrer vor allem für einen Schultag lang gemeinsam der nordhessischen Provinz entfliehen. Statt Schulbank drücken durch Kaufhäuser der City und über den ausgedehnten Weihnachtsmarkt schlendern, schließlich sich im unvermeidlichen Schnellrestaurant stärken – all das garantiert ein nachhaltig positives Gemeinschaftserlebnis und ist daher allemal die Reise wert.

Liebevoll, fachkundig, geduldig: Museumsführerin Kristina Becker

Aus schulischer Sicht musste jedoch zudem etwas zu finden sein, was die Schüler nicht auch mit Eltern hätten erleben können. Von allen pädagogischen Angeboten in Frankfurt erwies sich die Offerte der Schirn als am meisten ansprechend.

Horrorbilder selbst gemacht?

STILL UND STARR RUHT DER SEE. Unter diesem Motto hatten die Schüler ihre Eindrücke von einer einstündigen Führung durch die unüblichen Farbkombinationen und Blickwinkel Peter Doigs in EIGENE Farbvariationen und Sichtweisen umzusetzen. Unsere Führerin durch die gemalten Geschichten mit ihren Perspektiven und Farben, Kristina Becker, erwies sich als Glücksfall. Der Kunstpädagogin gelang es auf Anhieb, die Schüler emotional anzusprechen. Den Stein hörte zum Glück niemand vom Herzen des Klassenlehrers fallen, als sich zeigte, dass sich die Schüler alles andere als „zu klein“ für die Bilderwelt erwiesen.

Geschichten selbst malen.

Es war beeindruckend zu erleben, wie sich die meisten ganz auf die Bilderwelt Doigs einließen. Beeindruckend auch, wie diejenigen, denen die Bilder eher wenig sagten, dennoch interessiert und diszipliniert blieben. Man würde die teilweise an Horrorfilme angelehnten Bilder Peter Doigs nachmalen, hieß es am Telefon, bei der Planung des Museumsbesuchs. Die Assoziationen zu Horrorfilmen waren den Schülern – zum Glück, wie die Kunstpädagogin Kristina Becker bemerkte – nicht geläufig.

Sieben-ge featuring Peter Doig.

Also fantasierten die Mädchen und Jungen selbst drauf los. Erst erzählerisch vor den Bildern der Ausstellung, als es galt, mögliche Geschichten zu oder hinter den Bildern zu finden. Später auf Zeichenkarton, als jeder selbst mit Pinsel und Farbe versuchen sollte, die bedrohliche Ruhe und Starre eines geheimnisvollen Sees darzustellen.

Mehrere hunderttausend Euro teuer

Nach zwei Stunden hatte jeder sein eigenes NUR-EIN-BILD geschaffen. Die Museumsführerin schüttete einen Sack des Lobes über die Schüler aus. Die Begleiter aus Oberurff, neben dem Klassenlehrer zwei Vertreter der Elternschaft, Donata Gorny und Fatma Ünlü, waren stolz auf „ihre“ Kids.

Mehrere hunderttausend Euro teuer – das Bild im Hintergrund.

Eher nebenbei lernten die Gäste aus Nordhessen, dass sie sich gerade zwischen Kostbarkeiten bewegt hatten, die mehrere hunderttausend Euro teuer sind. Peter Doig wurde schließlich 2007 vom Kunstmagazin MONOPOL als der achtwichtigste lebende Künstler der Welt gekürt. Jetzt erst wurden wir Kunstlaien von Ehrfurcht ergriffen.

Laienkünstler mit ihren Werken und Kunst-Coach Kristina Becker.

Galerie zum Besuch der 7g in der Schirn Kunsthalle Frankfurt (Unbearbeitetes Bildmaterial; Download 2,6 MB3)

[jalbum_iframe_album:http://www.cjd-update.de/wp-content/galeries/album_peter_doig,100%,400px]

DANKSAGUNG

Fatma Ünlü, Donata Gorny (v. li.)

Dank den beiden Müttern, Donata Gorny und Fatma Ünlü, dass sie sich für den Tag frei genommen und eine Extraportion Nerven (beim anschließenden Shoppen durch das regnerische Frankfurt) geopfert haben. Dank an den zuverlässigen und freundlichen Busfahrer, Winfried Sack, der uns sicher durch Schnee und Matsch zur Schirn und wieder nach Hause kutschiert hat. Andreas Bubrowski (Text/Bild)

  1. Werkschau PETER DOIG
  2. SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT
  3. Fotos: Andreas Bubrowski; auf Anfrage Foto-CD möglich.