Kraft und Würde angesichts des Todes: 13-jährige Engländerin verweigert Herztransplantation
Mit Video und Voting zum Thema
Hannah Jones aus dem westenglischen Marden (Hereford) könnte in Oberurff in der siebten oder achten Klasse sein. In dem Alter rückt bei Jungen und Mädchen die körperliche Erscheinung besonders stark in den Brennpunkt der Wahrnehmung. Jungen geben sich betont so, wie man ihnen beigebracht hat, wie „richtige“ Kerle angeblich sind. Die Mädchen mimen junge Damen. Wie die zu sein haben, kann man in einschlägigen „Jugendsendungen“ des Privatfernsehens nachvollziehen.
Aufgegebenes Fahrzeug nach einem Crash. Darf man seinen Körper, wenn er kaputt ist, auch aufgeben? Bild: Andreas Bubrowski
Während viele Burschen meinen, sie müssten „den Dealer vom Block1“ geben, um cool zu wirken, setzen Mädchen eher auf „Körpereinsatz.“ Eine möglichst attraktive körperliche Erscheinung zu haben, gilt als Glücksfall. Mit dekorativer Kosmetik und passender Kleidung wird dabei kräftig nachgeholfen. An Tod denkt bei alledem niemand. Wie auch, wo doch schon ein einsamer Pickel am falschen Ort Panik auslösen kann. Bei Hannah ist das anders – notgedrungen. Sie muss vermutlich bald sterben. IHR größtes Glück ist, wenn man sie in Ruhe und Würde „gehen“ lässt.
Ich hatte die Nase voll von Krankenhäusern und
wollte endlich nach Hause.
Hannah ist seit ihrem fünften Lebensjahr – also etwa seit der ersten Klasse – krank. Damals wurde eine seltene Form der Leukämie diagnostiziert. Der Blutkrebs wurde mit Chemotherapie behandelt, allerdings mit fatalen Nebenwirkungen: In Hannahs Herz bildete sich ein Loch, das im Laufe der Jahre die Herzfunktion um 90 Prozent2 reduziert hat. Seit 2007 muss sie einen Herzschrittmacher tragen. Doch die Zerstörung des Herzens schreitet fort. Bleibt nur baldiger Tod oder – Herztransplantation.
So weit so tragisch. Andererseits – Herztransplantationen sind heute fast Routine. Hannah hat also eine Chance. Das denken zumindest viele von denen, die sich vor dem Tod fürchten, einen gesunden Körper haben und sich eher nicht einen Kopf über Leben und Tod machen. Hannah schon. Laut den Ärzten hatte sie im Herbst 2008 noch ein halbes Jahr zu leben. Ein neues Herz würde ihre Lebenserwartung vermutlich erheblich vergrößern. Der Tageszeitung DAILY MAIL sagte das Mädchen aber:
Wir sind sehr stolz auf unser kleines Mädchen.
Hannah Jones will lieber in Würde sterben als weiter leiden. Denn auch wenn ein neues Organ nicht abgestoßen werden würde – die gewonnene Lebenszeit wäre auch verlängerte Leidenszeit. Doch darf sie das? Machen sich die Eltern, wenn sie dem Wunsch des Mädchens entsprechen, nicht strafbar; und sei es im moralischen Sinne? Weit über England hinaus bewegte der Fall die Gemüter. Es kam sogar zur Anklage durch die Klinik, die Hannah behandelte. Die Kinderschutzbehörde drohte den Eltern mit dem Entzug der Vormundschaft. Die Behörde war drauf und dran, Hannah abzuholen und zur Operation ins Krankenhaus zwangseinzuweisen.
Der Fall landete am Obersten Gericht. Am Ende gab die Klinik nach, zog die Anklage zurück und verzichtete darauf, das Mädchen zur Operation zu zwingen. Hannah darf jetzt im Kreis ihrer Familie leben und sterben. Die Ärzte und Mitarbeiter der Kinderschutzbehörde haben sich lange mit dem Mädchen unterhalten, bevor sie ihrem Wunsch entsprachen. Hannahs Vater Andrew (43):
Ich weiß nicht, was genau sie ihnen gesagt hat, aber es muss stark genug gewesen sein, einige hochrangige Personen davon zu überzeugen, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hat. Wir sind sehr stolz auf unser kleines Mädchen.
Der Chef der Krankenhausverwaltung, Chris Bull, in einem Brief an die Eltern :
Hannah ist eine tapfere und mutige junge Frau. Sie scheint den Ernst ihres Zustandes verstanden zu haben. Sie hat erkannt, dass sie sterben kann.
Wenn der Tod schon nicht zu umgehen ist, dann ihm in Frieden und möglichst im Kreis geliebter Menschen begegnen. Die Erwachsenen können sich fragen, ob sie es mit dem Teenager Hannah an Kraft und Würde aufnehmen könnten, wären sie in ihrer Lage. (abu)
Kommentare
Natürlich drängt sich die Frage auf, zumal dann, wenn man mit der Entscheidung von Hannah sympathisiert. Ist man aber gerade gesund – oder wenigstens nicht todkrank – sollte man feste URTEILE dazu besser meiden. Einmal wäre es gegenüber Kranken, die NICHT so denken, rücksichtslos. Außerdem wäre eine Antwort „Wäre ich sie, würde ich genauso entscheiden“ illusorisch. Denn man kann nie wissen, wie man empfindet wenn es WIRKLICH eintrifft. Gleichzeitig darf das GESCHENK LEBEN nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Es ist immer gründlich abzuwägen. Daher wurde die Frage beim Voting vermieden.
Ich glaub, ich kann das Mädchen verstehen. Auch wenn immer alle sagen „Die Welt ist schön, genieß dein Leben und leb so lang wie möglich“ und so weiter. Die „andere Seite“ ist überall und man kann nicht immer alles schönreden.
Aber was mich an dem Voting zu dem Artikel stört: Irgendwie fehlt doch noch eine Antwort wie „Wäre ich sie, würde ich genauso entscheiden“. Die eine Antwort geht zwar schon eher ins positive, aber durch das „ich wünsche, ich hätte die Kraft“ klingt das so, dass man es gern so hätte, aber es unwahrscheinlich ist.
Das ist ein sehr bewegender Bericht über ein sehr tapferes und mutiges Mädchen! Nur sehr wenige Menschen können so denken, wie dieses Kind! :I
Sehr bewegend! :(
Ich finde das gut, dass so etwas hier einmal angesprochen wird! :I