Für Jugendliche haben Wahlen etwas gemeinsam mit Alkohol und Zigaretten: Man kommt erst mit 18 ran. Die bevorstehende Bundestagswahl betrifft daher unmittelbar nur wenige Schüler der Oberstufe. Doch schon Schüler der jetzigen neunten Klassen können beim nächsten regulären Mal mitmachen. Es lohnt also auch für die Jüngeren, sich mit der Parlamentswahl vertraut zu machen.

xl_stimmzettelDetail Stimmzettel. Grafik: gemeinfrei

Zur Wahl zu gehen, ist oberste Bürgerpflicht – allerdings mehr im moralischen Sinne, denn in Deutschland herrscht WAHLRECHT, nicht WAHLPFLICHT, wie etwa in Belgien. Da immer weniger Leute ihr Wahlrecht auch wahrnehmen, unterstellen manche Politiker dem Wahlvolk „Demokratiemüdigkeit.“ Kein Mensch mit klarem Verstand wird aber den demokratischen Status unseres Landes gefährden wollen. Die Menschen sind vor allem PARTEIMÜDE. Das Kreuz mit dem Kreuz auf dem Stimmzettel ist ihnen zu schwer.

Wahl mit historischer Tragweite

Die kommende Wahl ist in mehrfacher Hinsicht – unabhängig vom Ausgang – historisch bedeutsam. Die nachfolgende Auswahl an Meldungen zeigt, wieso.

Wahlrecht

Die Wahl am 27. September wird die letzte ihrer Art sein, zumindest was das zugrunde liegende Wahlrecht betrifft. Dieses sei „willkürlich,“ „widersinnig“ und „verfassungswidrig“. Das behaupten nicht krude Verschwörungstheoretiker. Niemand geringeres als die höchste juristische Autorität, das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, hat das festgestellt. Nach dem Richterspruch vom 3. Juli 2008 hätte eigentlich schon zur anstehenden Wahl das Wahlrecht geändert werden müssen, das vor allem an der Macht befindlichen Parteien Vorteile bringt. Doch just die Etablierten haben dem entgegengewirkt. Bis 2011 jedoch muss das Wahlrecht geändert werden. Die nächsten regulären Wahlen werden auf neuem Wahlrecht basieren. (Süddeutsche Zeitung: Legal, illegal, völlig egal )

Wahlkampfkosten

Bis zu 0,85 Euro pro Wählerstimmen bekommen Parteien, die bei der Bundestagswahl den Sprung ins Parlament schaffen. Von diesem Geld finanzieren die Parteien unter anderem die Kugelschreiber und Luftballons, die sie in den Fußgängerzonen in großer Zahl unter das Volk streuen. Ursprünglich hatte die Erstattung von Wahlkampfkosten aber einen anderen Zweck: politische Inhalte sollten dargestellt und dafür sachbezogen geworben werden. Der Bund der Steuerzahler hat öffentlich Bedenken angemeldet, ob angesichts inhaltsarmer Wahlkämpfe die bisherige Kostenerstattung noch im Sinne der Verfassung ist. Denn Luftballons, Kugelschreiber und Werbespots hat am Ende der Steuern zahlende Wähler zu bezahlen. (Die Welt: Steuerzahlerbund geißelt hohe Wahlkampfkosten )

Risikogruppe Nichtwähler

Was tun, wenn einem keiner der Kandidaten oder keine Partei wählenswert erscheint? Für die Parteien sind Nichtwähler eine echte Risikogruppe. Denn in dem Maße wie die Wahlbeteiligung abnimmt, bekommen Populisten, Extremisten und Exoten realistische Chancen auf ein Bundestagsmandat, was zu instabilen Mehrheitsverhältnissen im Parlament führen kann. Eine Abgeordnete des Kreistages Marburg hat neulich in privater Runde gemeint, sie würde verstehen, wenn sich Bürger vom Gebaren der Politiker abgestoßen fühlen. Doch statt wie die Indifferenten zu reagieren, also nicht zu Wahl zu gehen, sollten sie sehr wohl ihr Wahlrecht in Anspruch nehmen, und auf dem Wahlzettel ihre ablehnende Meinung auszudrücken. Auch ungültige Stimmen wären schließlich Stimmen. (tagesschau.de: „Es muss ein Recht auf Nichtwählen geben“ )

„Wir sind das Volk!“

Volksnähe beschert Wählerstimmen. Wenn es etwa gerade eine Naturkatastrophe gibt, kann man sich als Politiker mit dem Hubschrauber auf einen bedrohten Deich fliegen lassen und eine halbe Stunde lang den Leuten schnelle Hilfe zusichern – vor laufenden Kameras versteht sich. Das wirkt volksverbunden. Ähnlich effektvoll sind Geldgeschenke, etwa für alte Autos. Als volksnah gilt auch, sich in einem sozialen Netzwerk wie alle zu geben, also vermeintlich Persönliches öffentlich auszustellen. Doch was dem Einen volksnah erscheint, mag ein Anderer als Selbstinszenierung auf Kosten der Wähler ablehnen. Die Süddeutsche Zeitung hat letzten Dienstag, 22. September, einige Spitzenpolitiker auf ihre „Volksnähe“ gecheckt. LESENSWERT1!

Fazit

Der interessierte Jugendliche findet also keine heile Wahlwelt vor, in die er in ein paar Jahren gut vorbereitet eintreten kann. Umbruch, Paradigmen-
wechsel, auch hier. Bis er wählen geht oder sich vielleicht selbst zur Wahl stellt kann er mit etwas Glück bei der Jugendwahl U18 mitmischen oder am Wahlomat heimlich testen, welche Partei ihm am nächsten liegt. Wer aber schon darf – soll es kommenden Sonntag auch tun! (abu)

  1. Es ist leider keine Online-Version verfügbar.