Die Macht von Licht und Farbe: Schüler bestaunen Lichtinstallation von James Turrell im Kunstmuseum Wolfsburg
Eigentlich galt die Exkursion der Klasse 10b dem PHAENO und war vor allem physikalisch-technisch orientiert. Doch zufällig hatte kurz vorher das Kunstmuseum Wolfsburg eine spektakuläre Lichtinstallation eröffnet: James Turrell. The Wolfsburg Project. Und da wir nun schon vor Ort waren, Licht ein urphysikalisches Phänomen ist und sowieso es nicht schadet, Schülerinteressen fachübergreifend und „multitasking“ anzusprechen, haben wir drei Stunden PHAENO eine gute Stunde James Turrell angehangen.
Bridget’s Bardo (3), 2008, begehbare Installation / installation © James Turrell, Foto/photo: Florian Holzherr, 2009
Der Besuch war riskant. Würden die Schüler nach einem anstrengenden Tag in einem Technikmuseum noch aufnahmefähig für subtile Kunst sein? Miruna Moraru, Schülerin der 10b und Junior-Onlineredakteurin, berichtet, wie es war. (Redaktion)
Die Macht von Licht und Farbe
Von Miruna Moraru (Klasse Gym-10b/Online-Redaktion)
Möglich, dass James Turrell: The Wolfsburg Project zu den teuersten Einzelausstellungen zählt, die das Kunstmuseum Wolfsburg jemals auf die Beine gestellt hat. James Turrell wollte, dass seine bisher größte begehbare Lichtinstallation hier gebaut wird. Turrell kommt aus Arizona/USA. Der Künstler ist auch als Ingenieur, Landschaftsmaler, Architekt, Wahrnehmungspsychologe und Philosoph bekannt.
Schüler der Klasse 10b vor dem Kunstmuseum Wolfsburg. Bild: Andreas Bubrowski/CJD-UPDATE
Zwei elf Meter hohe, ineinandergeschobene Kisten wurden von Turrell hingestellt. Der Boden hat eine Grundfläche von siebenhundert Quadratmetern. Hinein führt eine steil abfallende Rampe – und was dann passiert, kann man höchstens beschreiben.
Dass jedoch etwas passiert, ist sicher
Spinther, Tall Glass, 2007
Glass und LED / glas and LED
330 x 220 cm © James Turrell,
Foto: Florian Holzherr, Courtesy
Häusler Contemporary Zürich
Fotos dürften wir leider nicht machen, also das heißt, man muss es erleben. Uns wurde berichtet, dass zum offiziellen Pressetermin geladene Fotografen Merkwürdiges erlebt hatten: Ihre Fotos sahen komplett anders aus als das, was sie mit eigenen Augen gesehen haben. Licht und Farbe entfalten ihre Macht in unserem Kopf, sind nicht nur physikalisches, sondern auch psychologisches Phänomen.
Also wir sind eine etwa dreißig Meter lange Rampe hinabgelaufen. Man glaubte, auf eine Wand zuzulaufen, was nicht stimmt, doch das weiß man erst später. Es gibt keine einzige sichtbare Quelle, aber trotzdem tritt aus den Wänden ein gleichmäßiges Licht aus, das seine Farbe wechselt, von rot über blau bis zu einem blasskalten Weiß. Dreißigtausend Leuchtdioden schimmern versteckt in diesem Raum. Jeder, der in diesen Raum hineingeht, wird etwas anders reagieren. Dass jedoch etwas passiert, ist sicher: die Rampe beginnt unter den Füßen zu schwanken, die Hand greift nach dem Geländer, den Halt suchend, den das Auge nicht findet. Die Raumkanten, die Vertikalen und Horizontalen, hat das Licht verschluckt, sie sind in einer Art schummrigem Nebel verschwunden. Eine Fata Morgana.
Bridget’s Bardo (1), 2008; begehbare Installation / installation. © James Turrell, Foto/photo: Florian Holzherr, 2009
James Turrell, der selbst einen Pilotenschein hat, vergleicht diese Seherfahrung mit der eines Piloten, der versucht, in der Dämmerung bei Nebel zu fliegen. Das Auge kann die Entfernung zum Boden nicht mehr bestimmen, der Fuß tastet ins Leere, bis man wieder Tritt fasst. Auch in Wolfsburg kann einem schwindlig werden. Doch es ist eine Art von Schwindel, die einen neugierig macht.
Das Licht gehört dem Auge
Porträt von/portrait of James
Turrell. Fotografiert a. 24.4.2009
photography of April 24, 2009
Foto/photo: © Florian Holzherr
2009
Da verändert sich wieder das Licht: Es wird dunkler, es drückt von oben herab, legt sich schwer auf die Schultern. Bei James Turrell gehört das Licht dem Auge und nicht den Dingen. Diese optische Illusionen sind sehr beeindruckend und der Künstler will uns diese zeigen und fühlen lassen. Damit Turrells Installationen funktionieren, braucht der Betrachter keine Kenntnisse der Kunstgeschichte, sondern nur Fantasie.
Turrell wurde 1943 in Los Angeles geboren, studierte Mathematik, Psychologie, Kunst und Kunst-
geschichte, eine ziemlich ungewöhnliche Kombination. Um Geld zu verdienen und seine Projekte zu finanzieren, restaurierte er alte Flugzeuge, flog mit Transportflugzeugen, bis heute ist sein Atelier ein Flugzeughangar. Vor allem Dank seiner Fliegerei hatte er diese wunderbaren Ideen im Lichtermuseum entwickelt.
Der Roden Crater
In Wolfsburg stellt Turrell noch zwei weitere Lichtinstallationen aus: Spinther und Aloka’s Thought. Außerdem etwa zwei Dutzend Studien, Modelle und Luftaufnahmen seines weltberühmten Roden Crater. Wie ein großes Auge liegt der erloschene Vulkankrater in Arizonas Wüste. Von 1974 an hat Turrell unterirdische Räume, Stollen und Schächte in das einhundert fünfzig Meter hoch aufragende Gestein geklopft, gegraben und gesprengt, um ein gigantisches Licht-Observatorium zu schaffen.
Roden Crater – East Portal, Ausgang zum Crater / exit to Crater. © James Turrell, Foto / photo: Florian Holzherr
Im Moment sind die Arbeiten unterbrochen, es fehlen Sponsorengelder. Turrell lebt auf einer Farm in Flagstaff. Dort, zwischen Tieren und Pflanzen, kann er jeden Tag beobachten, wie Lebewesen auf Licht reagieren. Pflanzen wenden sich nach der Sonne, die Motten fliegen in die Kerzen, Rehe oder auch Hunde bleiben auf der Straße stehen, wenn sie in den Lichtkegel eines Autoscheinwerfers geraten.
Unsere Klasse fand diese Erfahrung sehr schön und wir sind froh, dass wir es zum Lichtermuseum geschafft haben.
Linksunten:
James Turrell. The Wolfsburg Project
(Gestaltung/Teaser: Andreas Bubrowski)
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