Nachts im Dschungel
Alles erstunken und erlogen, von Mirco Schleiden ft. Baron Münchhausen
Meine erste Reise nach Indien, in den Dschungel, unternahm ich im heißesten Sommer. Weil ein Elefant das beste Transportmittel ist, nahm ich mir einen. Natürlich nahm ich mir den Größten. Ich saß mindestens zehn Meter über dem Boden. Die Höhe war nichts für Angsthasen. Von dort oben hatte man die beste Aussicht, auch wenn alles sehr klein aussah.
König der Löwen am Ende.
Weil ich ein geschwindigkeitsliebender Mensch bin, trieb ich den Elefanten im Galopp durch den Dschungel, über Stöcke, Steine und Grasbüschel, vorbei an Bäumen, Büschen, Sträuchern und an vielen wilden, gefährlichen Tieren. Wir waren so schnell, dass uns kein anderes Tier folgen konnte, selbst ein Tiger hatte aufgegeben. Trotz allem war ich wachsam und mit meinem Gewehr in der Hand auf alles gefasst. Tiefer und tiefer ritten wir in den gefährlichen Dschungel hinein.
Es war der König der Löwen
Als es dämmerte, hielt ich an einer Lichtung an, wo ich mein Zelt aufschlug, den Elefanten an einen Baum anband und mich zur wohlverdienten Nachtruhe legte. Man glaubt gar nicht, wie holprig und anstrengend so ein freihändiger Elefantenritt ist. Nicht lange nachdem ich eingeschlafen war, hörte ich es plötzlich ein ohrenbetäubendes, angsteinflößendes Brüllen. Ich nahm mein Gewehr in die Hand und verließ mutig mein Zelt. Mein erster Blick schockierte mich, denn der Elefant schlief, angebunden am Baum, als hätte es kein Brüllen gegeben. Ich fragte mich, wozu er so große Ohren hatte, wenn er doch nichts hörte. Auf ihn war jedenfalls kein Verlass. Ich war ganz allein auf mich gestellt.
Als ich trotz des Sternenhimmels nichts außer Dunkelheit sah, dachte ich, ich hätte ein Gespenst gehört und legte das Gewehr weg. Plötzlich raschelte es hinter mir. Erneut nahm ich das Gewehr in die Hand, drehte mich um und schoss mit geschlossenen Augen ohne zu zielen ins Dunkle. Als ich die Augen wieder öffnete, lag ein toter Löwe vor mir. „Ich wusste es doch!“, dachte ich, „Ich bin und bleib ein guter Schütze.“ So ritt ich wieder nach Hause, diesmal mit einem Löwen im Gepäck. Den Löwen sollten zu Hause alle sehen, doch daraus wurde leider nichts. Als ich die Grenze überschreiten wollte, wurde mir der Löwe abgenommen, weil ich meinen Jagdschein zu Hause vergessen hatte. Doch ihr könnt mir glauben, es war der prächtigste, größte und stärkste Löwe, den es in ganz Indien gegeben hat – es war der König der Löwen!
Gestaltung: kvu/abu
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