Facebook – der Haken mit den Haken
Sorgende Eltern sind besorgt. Da hat man sich nun mit Ach und Krach mit Phänomenen wie Rauchen, Komasaufen und SchülerVZ auseinandergesetzt, die Gefahren für die Kinder und Jugendlichen erkannt und irgendwie damit eingerichtet. Jetzt nun Facebook. Der Hype um das geschäftsfördernd als „sozial“ vermarktete Online-Netzwerk macht Eltern vor allem deshalb Bange, weil sie nicht wissen, wie es funktioniert und warum es so magisch auf ihren Nachwuchs wirkt.
Verbieten, Wegschließen, Knoblauchknolle davor – hilft leider nicht. (*)
In seiner Serie „Ach- und Krachgeschichten“ hat das NDR-Fernsehen in einem zweieinhalbminütigen Film alles auf den Punkt gebracht – amüsant und leicht verständlich. Auf anschauliche Weise wird der Haken mit den Haken erklärt. Also warum es schwierig ist, die richtigen Haken zu finden, sie dann zu entfernen und warum man – einmal am Facebook-Haken – nicht so leicht wieder davon loskommt.
Das ist anstrengend, kostet Zeit und Geld. Na und?
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=6s9IM1j0xFo[/youtube]Ach- und Krachgeschichten: FACEBOOK. © X3.de/NDR 2011
Schön und gut. Also noch so eine virtuelle „Gefahr“, mit der man leben muss. Aber wie? Alles verbieten, wegschließen, Knoblauchknolle davor? Vor allem die seriöse überregionale Tagespresse bietet dazu handfeste Tipps und Hinweise. Nachfolgend eine kursorische Zuammenfassung.
Privates grundsätzlich
außen vor lassen
Facebook lebt von der suggestiven Wirkung als Massenphänomen. Menschen mit einem sozialisierten Selbstbewusstsein, die dem, was alle tun eher distanziert gegenüber stehen und deren Selbstwertgefühl nicht von virtuellen „Freunden“ abhängt, nutzen das Netzwerk zielgerichtet, um ihre beruflich relevanten Kompetenzen bekannt zu machen. Privates bleibt dabei aber strikt außen vor. Spricht man mit Schülern ist festzustellen, dass wir in Oberurff erfreulich viele Schüler haben, die dem Facebook-Hype nichts abgewinnen können und sich fern halten. Die sind – Zufall oder nicht – durchweg sozial engagiert, haben einen guten bis sehr guten Notenschnitt und sind durchweg Profis im Umgang mit dem Internet1.
Informationstechnologie: wunderbare Schöpfung menschlichen Geistes
Alles verbieten, wegschließen, Knoblauchknolle davor – hilft leider nicht. Haben sich Eltern, als sie noch Teenager waren, von den Verboten ihrer Eltern beeindrucken lassen? Das stimuliert eher zum Ausprobieren. Die Informationstechnologie ist eine wunderbare Schöpfung des menschlichen Geistes. Sie nicht anzunehmen oder inquisitorisch zu verteufeln, wäre engstirnig „antipädagogisch“. Wer Kinder daheim wegsperren würde, um sie vor den Gefahren des Straßenverkehrs schützen zu wollen, würde sich in Wirklichkeit an der Freiheit des Geistes der anvertrauten Schutzbefohlenen vergehen. Kein vernünftiger Mensch käme auf eine solch absurde Idee. Wollen die „Alten“ den Jungen gegenüber nicht alt aussehen, werden sie sich wohl oder übel soweit immer weiterbilden müssen, dass sie auch in der Informationsgesellschaft Kindern und Jugendlichen mit Rat und Tat beistehen können. Das ist anstrengend, kostet Zeit und Geld. Na und?
Zurückhaltung ist
das Mittel der Wahl
Für Unternehmen, Vereine und auch Schulen ist Facebook ein Marketingwerkzeug unter anderen. Die Betreiber müssen dabei darauf achten, dass Leser nicht zum Posten von privaten Daten animiert werden. Beispiel: Vertretungsplan des CJD Oberurff. In CJD-UPDATE werden die Daten des Vertretungsplans und die zugehörigen anonymisierten Kommentare bei einem renommierten deutschen Provider gespeichert, und zwar nur für kurze Zeit. Nach wenigen Werktagen, oft auch täglich, werden die Daten irreversibel wieder gelöscht. Eine statistische Auswertung der Inhalte findet NICHT statt. Wie Facebook mit den täglichen Vertretungsplänen verfahren würde, bedarf KEINER Erläuterung mehr… Angesichts immer neuer raffinierter Auswertungstechnologien – Stichwort Gesichtererkennung – ist auch bei der Veröffentlichung von Bild- und Videomaterial auf Facebook Zurückhaltung das Mittel der Wahl.
Vereinbaren von wenigen konkreten Regeln
Wie der Sucht zum Onlinesein von Kindern und Jugendlichen begegnen? Aus Elterngesprächen geht hervor, dass sich das Vereinbaren von wenigen konkreten Regeln als praktisch erwiesen hat. Im Kern bestehen solche „Vereinbarungen“ darin, dass Kinder ein definiertes tägliches Zeitfenster gestattet bekommen, in dem sie sich frei online bewegen dürfen. Der Zeitrahmen liegt dabei zumeist zwischen 45 und 60 Minuten. Davor und danach ist der Laptop (teilweise auch das Handy) aus. Das reicht natürlich nicht.
Wer nicht möchte, dass etwa in seinem Zuhause in Wabern ein junger Mann aus Stade (bei Hamburg) anruft, um mal eben die 13-jährige Tochter sprechen zu dürfen2 (die ansonsten noch nie in Hamburg und Umgebung war), der muss ZUVOR seinem Kind klar machen, dass KEINE persönlichen Daten – bei welcher Gelegenheit auch immer – weitergegeben werden dürfen. Passiert aber doch ein Missgeschick – Anrufe von virtuellen „Freunden“, ungewollte Klingeltöneabos oder ein versehentlicher illegaler Musikdownload, dann sollten die Erziehungsberechtigten weniger ihren Kindern, sondern sich selbst Vorwürfe machen. Nicht etwa, das Kind nicht genügend „überwacht“ zu haben, sondern das Kind nicht gut genug mit Wissen und Kompetenz ausgestattet zu haben3.
(*) Text/Bild: Andreas Bubrowski
Kommentare
Upps, das war ja ein langer Text!
Nicht ZU LANG, sondern substanziell, differenzierend und kompetent. Meinungsbildung im Web ist ja eben nicht das Posten lapidarere Nichtigkeiten oder extensives „LOLen“. Sachlich fundierte und zielführende Kommentare zur Sache an der richtigen Stelle gepostet – das ist damit gemeint. Dafür ist Dein Kommentar ein – hier leider eher selten – schönes Beispiel.
Das ist ja wirklich eine geniale Serie! Habe mir jetzt auch andere Videos davon angeguckt. – Dass man mit viel witziger Ironie trotzdem so klar kritisieren kann, hat mich ehrlich beeindruckt. Man muss sich aber diese Kurzfilme schon öfter durchsehen, um all die versteckten Dinge zu entdecken, die den eigentlichen Knackpunkt ausmachen.
Gerade für junge Leute ist es heutzutage schon ein großer Zwang, sich bei Facebook anzumelden. Wie soll ich denn sonst noch mitreden können? Wichtige Informationen – mehr oder weniger – erhalte ich schließlich am schnellsten durch solche Technik. Und gerade, dass das alles völlig ohne Werbung läuft, und ich meist tatsächlich nur interessenorientierte Infos zugeschickt bekomme, sorgt wahrscheinlich dafür, dass ich auch nach langem Zögern nicht mehr von dieser Internetseite wegkommen würde. Wieso auch? Wenn ich mich ja schon angemeldet habe, kann ich das ja auch nutzen, oder? – Ich glaube, die beste Möglichkeit, sich vor dem ganzen Ärger um Privatsphäre und Sonstigem zu schützen, ist es, sich „einfach“ gar nicht erst „anstecken“ zu lassen. Und die „Impfung“ dagegen? Am sinnvollsten ist es bestimmt, so viel Zeit wie nur irgendwie möglich mit ECHTEN Freunden, Hobbies und auch Schule zu verbringen. Das, was ich für mich selbst verinnerliche, ist das, was mir auch am längsten bleibt. Ich muss mir einfach klar machen, dass das, was ich da sonst womöglich stundenlang anstarre, nichts wirklich Reales ist. Real bedeutet in diesem Fall, dass es, egal, was auch passiert, NIE völlig verschwinden kann. Eine Website kann – futsch – einfach weg sein. Das, was ich einmal gelernt habe, ist jedoch für mich jederzeit erreichbar.
Wenn ich mich als Benutzer bei den Betreibern zu 1000% verlassen könnte, dass meine Daten MEINE Daten bleiben, dann hätte ich kein Problem damit, mich bei solchen Online-Diensten anzumelden. Denn manche Dinge, die darüber laufen, kann ich sonst nirgendwo so SCHNELL abwickeln. – Das wäre für mich der größte Vorteil: Ich würde Zeit sparen, die ich dann für Wichtigeres verwenden könnte. Aber solange diese Sicherheit nicht gewährleistet ist, handle ich mir damit nur Ärger ein. – Schade, an der Technik liegt’s ja nicht!
Der Hinweise mit dem Verbleib der Daten scheint mir besonders wichtig. Neulich habe ich von einem Job-Portal eine Email erhalten bei dem ich mich vor Jahren angemeldet hatte. Der Inhaber informierte alle seine Nutzer darüber, dass das Portal an einen US-amerikanischen Interessenten verkauft wurde, was auch einen Datenübertrag auf in den USA stehende Server bedeuten könne. Wenn man mit dem Datenübertrag nicht einverstanden war, konnte man das per Mail anstoßen. Ich habe das abglehnt und den (längst vergessenen Account!) bei der Gelegnheit irreversibel löschen lassen, was dann auch per Mail bestätigt wurde. DAS ist seriös.
Außerdem: So wie es nicht schaden kann, in unbekannten Räumlichkeiten mit vielen Leuten beim Eintreten sicherheitshalber zu checken wo die Notausgänge sind, so ist es nur von Vorteil, wenn man sich bei jeder Account-Registrierung SOFORT über das Löschen des Accounts informiert. Erweist sich das als schwierig oder gar ganz unmöglich, sollte man die Registrierung besser sofort stornieren und auf keinen Fall mit Stamm- und Bewegungsdaten füttern. abu