Busen als Störfaktor oder was macht der Bleistift im Dekolleté
Fett- und Bindegewebe des weib-
lichen Körpers. Abb. Patrick J. Lynch
Nachfolgendes ist als Glosse zu verstehen, über das man auch lächeln darf. Obwohl 400 Euro ein durchaus ernst zu nehmender Geldbetrag sind. Den musste nämlich zur Strafe eine Lehrerin aus Wiesbaden blechen, weil sie einer Schülerin einen Bleistift in das all zu provozierendes Dekolleté gesteckt hat1. Die auf den ersten Blick als zeitgemäß und bildungsstandardkonform anmutende pädagogische Maßnahme2 gegen zu luftige Kleidung hatte aber auf die 15-jährige Schülerin der Realschule keine belehrende Wirkung. Ganz im Gegenteil. Sie startete auf Facebook gegen die Lehrerin eine Droh-Kampagne und forderte öffentlich deren Schulverweis, was wiederum die Schülerin vor den Richter brachte3. Wegen der Mobbing-Attacke wurde sie zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt und in eine andere Klasse versetzt.
Für das Erwachsenwerden wichtige
Reibung mit der Elterngeneration
Der Online-Bericht des Hessischen Rundfunks (Busen-Streit im Klassenzimmer ) wartet nur mit einem neutralen Bildelement auf. Im Bericht wird aber der Anwalt der Lehrerin konkreter. Demnach sei „das Mädchen mehrfach ermahnt worden, weil es sich ‚mit der Zurschaustellung ihres Busens zu einem Störfaktor in der Klasse’ entwickelt habe“. Vorausgegangen waren zudem Beschwerden von Eltern der männlichen Mitschüler, die über den großen Ablenkungseffekt für ihre Söhne klagten.
Weit ausgeschnittene Dekolletés in immer jüngeren Jahrgängen sind im Schulalltag eigentlich selbstverständliche Erscheinungen; spätestens seit es im Fernsehen salonfähig ist, etwa junge „Next-Germany’s-Topmodels“ bis auf wenige Millimeter Stoff entblößt vorzuführen und herumzureichen oder die vor allem von Enddreißigern und Älteren entworfene „Young Fashion“ bis knapp über die Papilla mammaria (lat., Nummer 4 der Abb.) reichende Oberteile als den neuesten Schick preist. Wann dabei die Tiefe eines Ausschnitts den Tatbestand eines Störfaktors erfüllt, ist schwer zu sagen.
Außerdem – was bleibt Teenagern heute schon noch übrig, um die für das Erwachsenwerden wichtige Reibung mit der Elterngeneration erleben zu können? Zum Beispiel Kopfhaare. Die kann jeder wachsen oder rasieren oder auffällig schneiden und färben lassen, wie er will. Das wird niemanden provozieren, am wenigsten die Eltern, die im Zweifel die blaue Farbe kaufen und selbst ihrem Kind auftragen. Während für Jungen zur körperbetonten Provokation bestenfalls im Schritt an den Knien hängende Jeans bleiben, können Mädchen ohne großen Aufwand mit wenig Stoff für einige Aufregung sorgen.
Eltern können (könnten) kontrollieren
Der Artikel des Hessischen Rundfunks verweist darauf, dass Schuluniformen eine solche Eskalation hätten verhindern können. Wirklich? Eine japanische Bekannte jedenfalls hat einmal schmunzelnd erzählt, wie Teenager mit ihren in Japan üblichen Schuluniformen so provozieren. Da reicht dann eben das Marken-Shirt nicht bis knapp über die Papilla mammaria, sondern die Knopfleiste der Bluse der Schuluniform bleibt ungenutzt – bis unterhalb des Corpus adiposum mammae (lat., Nummer 7 der Abb.). Daheim, so die Bekannte, hätten sich die Mädchen hoch geschlossen verabschiedet, im Schulbus aber die Knopfleiste wieder geöffnet. So gesehen ist KEINE Schulunifom doch besser. Eltern können (könnten) so gut kontrollieren, welche Ausblicke ihre Töchter so mit in die Klasse nehmen. abu
- Die Anklage lautete auf Beleidigung, wurde aber gegen Zahlung der Geldbuße fallen gelassen. ↩
- Vor allem SOZIALKOMPETENZ (hier: Rücksichtnahme und Teamfähigkeit) und PERSONALE KOMPETENZ (hier: Selbstwahrnehmung, Selbstkonzept, Selbstregulierung) werden tangiert. ↩
- Kein seltenes Phänomen im Schulalltag: Schüler, die mit der einen oder anderen Verhaltensauffälligkeit zu tun haben, reagieren hoch empfindlich, wenn sie selbst einmal Ziel einer Verhaltensauffälligkeit sind. ↩
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