Von Andreas Bubrowski

Schnell ein Selfie in ungewohnter Schutzkleidung.Bild: A. Bubrowski/CJD Oberurff
Schnell ein Selfie in ungewohnter Schutzkleidung.
Bild: A. Bubrowski/CJD Oberurff

Headline am Tag nach der Fachex­kursion von 10b und 9d ins Kraftwerk BUSCHHAUS (Helmstedt) im Wirtschaftsteil der Zeitung: „SPIEL MIT DEM FEUER – Ausge­rech­net die schmutzigste Energieressource Kohle erlebt weltweit einen ungeahnten Boom“. So etwas wie einen Boom gibt es auch in Helmstedt. Zwar wird der dortige Tagebau in zwei Jahren dicht gemacht. Von einst 6.000 Beschäftigten bauen bis dahin noch rund 200 Bergleute Braunkohle ab. Doch das nahe Kraftwerk bleibt erst einmal bis 2030 erhalten. Braunkohle kommt zukünftig nicht mehr per Förderband von nebenan, sondern per Bahn aus dem 200 Kilometer entfernten Leipzig. 40 Schüler und zwei Physiklehrer haben sich für einen halben Tag der Realität der „Energiewende“ gestellt. Möglich durch Jürgen Beckmann, Leiter Anlagenservice, dessen Sohn und Tochter im CJD Oberurff zur Schule gehen.

Dreckschleuder? „Unser“ Kraftwerk ganz sicher nicht

Nach drei Stunden Busfahrt Begrüßung mit einem herzlichen GLÜCK AUF durch Bodo Schönyan, einem altgedienten Steiger der Braunkohlengrube. Vor uns ein 120 Meter tiefes Loch. Braunkohlen­flöze sind gut zu erkennen. Tief am Grund, kaum noch wahrnehmbar, bauen gelbe Maschinen Braun­kohle ab. Kalter Wind zerrt an den Gliedern. Außer Schönyan ist weit und breit keiner der noch 200 Mitarbeiter zu sehen. Hinter uns ein rostiger Schaufelradbagger, ausgemusterte Grubenwaggons und schwere E-Loks. Wäre nicht unser lebensfroher Tour-Führer – alles wäre eher etwas deprimierend.

Klasse 10b, mit Bodo Schönyan. Bild: A. Bubrowski/CJD Oberurff
Klasse 10b, mit Bodo Schönyan. Bild: A. Bubrowski/CJD Oberurff

Kurz darauf, im Kraftwerk Buschhaus, nach einem ordentlichen Mittagessen und angesichts des ungewohnten Arbeitsschutz-Styles aus rotem Helm und nerdiger Schutzbrille, kommt die Stimmung bei den Jung-Physikern in Schwung. Braunkohlenkraftwerk, Müllverbrennungsanlage und Generator stehen auf dem Besichtigungsprogramm. Am Ende sollen vor allem die Zehntklässler kompetent und kritisch mitdenken können, wenn in den Medien einmal mehr die „Energiewende“ zur Sprache kommt.

Werksführung im Kraftwerk Buschhaus (Helmstedt)

Bis zur zehnten Klasse wird im Physikunterricht das Thema „Energie“ vorsichtig umschifft. Zwar reden im Alltag alle ständig von Energie, aber was genau physikalisch-technisch ENERGIE ist, ist für Schüler gar nicht so leicht zu erfassen – gerade weil die Alltagsprache alles mögliche unzutreffend damit assoziiert. In Klasse 10 aber wird sowohl in Realschule als auch im Gymnasium der Energie­begriff praktisch erarbeitet. Neben naturwissenschaftlichen Aspekten und mathematischer Beschreibung kommen zwischen elektrischer Energie (Motor-/Generatorprinzip) und Energie­gewinnung über die Nutzung radioaktiver Stoffe in Kernkraftwerken nicht erst seit der abrupten Energiewende immer auch Fragen von allgemeiner Bedeutung hoch. Etwa zu Umweltschutz, umweltschonenden Energien oder wie man selbst achtsamer mit Energie umgehen kann.

Klasse 9d, mit Physiklehrer K.-H. Umbach und Tour-Führer Bodo Schönyan. Bild: A. Bubrowski/CJD Oberurff
Klasse 9d, mit Physiklehrer K.-H. Umbach und Tour-Führer Bodo Schönyan. Bild: A. Bubrowski/CJD Oberurff

Schon die Powerpoint-Präsentation vor Beginn der Werksführung sorgte für Überraschung. Das Kraftwerk Buschhaus ist extrem sauber. Alle Werte für Emissionen, also den Ausstoß von Schad­stof­fen, liegen weit unter den gesetzlichen Grenzwerten. Mag sein, dass in Asien Kohlekraftwerke Dreckschleudern sind. „Unser“ Kraftwerk ganz sicher nicht. Angesichts immer neuer Versuche in Deutschland das umweltbelastende Fracking einzuführen, mag es nahezu beruhigend sein, dass sich Braunkohle kostengünstig nach Helmstedt transportieren lässt und diese relativ umweltverträgliche Energiegewinnung zunächst erhalten bleibt. Nach der beeindruckenden Werksführung – die Sonne hatte sich dabei hinzugesellt und den Wind erträglicher werden lassen – Heimfahrt. Was bleibt? Die Zehntklässler hatten dazu Fragen mit auf den Weg bekommen, terminiert als Hausarbeit.

  1. Beschreibe Zweck, Funktionsweise und Geschichte von Tagebau und Kraftwerk stichwortartig.
  2. Erörtere, welche Rohstoffe im Tagebau gefördert werden. Kläre die Frage, ob und wie weit Tagebau-Betriebe im Allgemeinen und DIESER Betrieb im Besonderen „Auslaufmodelle“ sind oder als zukunftsträchtige Betriebe gelten können.
  3. Beschreibe die Aufbau- und Ablauforganisation von Tagebau und Kraftwerk. Die Aufbauorganisation beinhaltet betriebliche Funktionen, also welcher Mitarbeiter mit welcher Qualifikation welche Aufgaben zu erledigen hat. Die Ablauforganisation sagt etwas über den „Workflow“ aus, also den Produktionsprozess.
  4. Recherchiere relevante Berufsbilder, insbesondere Berufschancen für Auszubildende und Studierende. Welche konkreten Karrieremöglichkeiten existieren.
  5. Stichwort Energiewende: Was lässt sich dazu beim Besuch „herausfinden“? Versuche dazu Meinungen von Mitarbeitern einzuholen.
  6. Was war im Laufe der Exkursion DER herausragende und besondere Eindruck für Dich?

DANKSAGUNG

Zunächst an Moritz Beckmann (10b). Denn es war SEINE scharfsinnige Idee im Physikunterricht, ob zum Thema Energie nicht ein Besuch im Kraftwerk des Vaters interessant sein könnte. Herzlichen Dank an Jürgen Beckmann, der die Idee seine Sohnes und das Interesse des Verfassers sofort planerisch umgesetzt hat. Dank unseren Tour-Führern, Steiger Bodo Schönyan und Peter Planke für die Betreuung. Dank dem Gastgeber, der Helmstedter Revier GmbH.