Triathlon ist kein Sommersport, Training findet ganzjährig statt
Erlebnisbericht von Leonid Berlitz
Nach der anstrengenden Wettkampfphase stand Erholung im Focus der Off-Season, die Intensität des Trainings wird heruntergefahren, der Körper hat Zeit, sich zu regenerieren und neue Kräfte für die kommende Saison zu sammeln. Im Herbst und Winter wird jetzt die Grundlagenausdauer trainiert, das Fundament für nächstes Jahr wird aufgebaut, entscheidend sind Stoffwecheloptimierungen.
Lockere 40-Kilometer-Radfahrt – #Triathlon
Um diese Anpassungen zu erreichen, wurden im Trainingslager in der französischen Provence hunderte Radkilometer von den Sportlern absolviert, zwar hatte Kilometerkönig Niclas Aue am Ende der Fahrzeit über 800 Kilometer auf dem Tacho stehen, doch besonders an den Leistungen der neuen und jungen Mitglieder, insbesondere auch unserer Frauen-Crew mit Bonnie, Hanna, Miriam und Lea, lässt sich prämierte Jugendarbeit des CJD-Triathlonteams ablesen. Den Höhepunkt der Trainingstage stellte die Rundfahrt entlang des bekannten „Grand Canyon Du Verdon“ dar, eine unter Generationen von CJDlern für die zehrenden Auf- und Ab-Wellen bei oft heftigen Winden bekannte Schlucht, die durch ihre geschlossene und abgelegene Lage zum Ausreißen aus der Gruppe und zur völligem Eskalation der Leistungsreserven geradezu einlädt. Dies sind meine Erfahrungen aus dem Grand Canyon:
Nach einer lockeren 40-Kilometer-Radfahrt bietet sich mir ein erster Blick auf das Kommende, nach Passieren des türkisblauen Lac de Sainte-Croix führt die Strecke in die Berge rund um den Fluss, der eine bildschöne Schlucht in das Massiv gefressen hat. Da wir gestern einen ruhigen Tag mit nur guten 100km Radfahrt und einer halben Stunde Athletik hatten, fühlen sich meine Beine noch frisch an, jetzt bin ich richtig warm und aufgeregt, die Schlucht, die ich im letzten Jahr mit meinem Bruder kennengelernt habe, alleine zu bewältigen.
[mappress mapid=“30″]Col d’Ayen
Von Anfang an zeigt sich am Col d´Ayen (1.032 Meter), dass nicht besonders steile Steigungen, sondern das ständige Erreichen des Nullpunktes, sprich der Verlust der hart erarbeiteten Höhenmeter, nicht nur körperlich, sondern auch mental eine Herausforderung ist. Oben angekommen fühle ich schon die harte Arbeit in den Beinen, doch die durch die pure Schönheit des Tals hervorgerufene Motivation lässt mich kleine Wellen bis zur Abfahrt nach La Plaud niederbügeln. Nach Passieren des kleinen Bergdorfes La Palud folgt ein welliger Abschnitt entlang des Flusses. Hier kann ich immer wieder etwas Erholung in den kurvigen Abfahrten, die meine höchste Konzentration fordern, finden, nur um in den flachen Kurven wieder den Krafthahn aufzudrehen und gegen den Wind zu kämpfen, bis ich meinen Atem von den Kalksteinwänden hallen hören kann.
Den Fluss überqueren wir über die Steinbrücke am Pont de Soleils und ich weiß vom letzten Mal, dass der härteste Teil der Rundfahrt ansteht. Wer hier schwächelt, kann sich ein Bild von allem Kommenden bei dem Anstieg nach Trigance machen, ab hier gilt es noch, die 35 Kilometer bis Aiguines am anderen Ende des Grand Canyon niederzuringen. Alleine diese Vorstellung lässt mich kurz zweifeln, doch ich weiß, dass ich noch genug Zucker in Form von Apfelschorle und Müsliriegeln bei mir habe, um meinen Körper mit Energie zu versorgen, also setzte ich mich wieder einmal von der Gruppe ab. Inzwischen brennt meine Oberschenkelmuskulatur, tut aber gleichmäßig weh, so dass ich einen guten Rhythmus finde, um den Anstieg Meter für Meter wegzudrücken.
Dieser eintönige Kampf wird nur von plötzlich einsetzenden Fallwinden unterbrochen, die mich zwingen, in den niedrigsten Gang zu schalten und unter dem schmerzenden Protest meiner Beine aus dem Sattel zu gehen. Spätestens in den verwundenen Höhenpässen entlang der bis zu 300m senkrecht abfallenden Steilwände verirren sich die Gedanken, Entfernungen verschwinden, mein Zeitgefühl ist nur noch eine vage Ahnung, hier weiß ich, dass ich alleine gegen die aufkommende Müdigkeit kämpfen muss. Es fällt mir immer schwerer, mich nach jeder Kurve und jedem Ausblick auf dieser scheinbar unendlichen Bergstraße neu zu motivieren. In der Ferne sehe ich, wie sich der Weg an den steilen Berghängen immer weiter in die Höhe windet. In solchen Momenten wird einem klar, dass es einem schier an Optionen mangelt, um aufzugeben, man muss irgendwie weiterfahren. Ein Schluck Apfelschorle, ein Riegel und ich finde wieder meinen Rhythmus, inzwischen blende ich den Schmerz der Beine aus, greife den Lenker fester und beuge mich, um einer weiteren Böe auszuweichen.
Ein Meilenstein weckt mich aus einer Art Trance, ich stelle mit einem Schnauben fest, dass es nur noch 5 km bis Aiguines sind und ich weiß, dass davon mindestens 3 km aus der Abfahrt bestehen. Kurz darauf überholt mich ein Wohnmobil, ich kann mich in seinen Windschatten hängen und ihm eine Weile lang folgen, als es in einer Kurve anhält, sehe ich das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit Menschen. Mein Blick wandert wieder die Straße entlang und ich realisiere auf einmal, dass es nur noch wenige Kurven bis zum Scheitel des Passes sind. Durch diese Aussicht motiviert, mobilisiere ich meine letzten Reserven, erhöhe den Schnitt leicht, was direkt durch leichte Bauchschmerzen quittiert wird – meine Beine ziehen das Blut aus dem Verdauungstrakt.
Oben angekommen halte ich kurz an, eine beeindruckende Aussicht auf das Tal, den See und das dahinter liegende Plateau bietet sich mir, in der Luft kreisen wirklich riesige Steinadler – nicht umsonst gilt der Grand Canyon Du Verdon als die schönste Schlucht Europas, und das Gefühl, diese mit eigener Körperkraft bezwungen zu haben, ist unglaublich! In Aiguines trifft sich das zersprengte Team wieder und Trainer Rolf Kather ordnet seine Fahrer nach dem Auffüllen der Flaschen am Brunnen und gibt die entsprechenden Direktiven. Die Rückfahrt wird locker angegangen, schließlich sind alle Fahrer müde und erschöpft und der Wind zerrt immer stärker an den Trikots der Frontfahrer. So sind die letzten Kilometer von einem Kampf gegen den Wind gekennzeichnet, doch das erfahrene Team kann sich durch Kreiseln der Frontfahrer die Arbeit im Wind teilen.
(Gestaltung: Andreas Bubrowski)
Kommentare