Physikunterricht: Bewegung im Team
Geradlinige gleichförmige Bewegung im Physikunterricht der gymnasialen Jahrgangsstufe acht – es gibt kaum weniger Aufregendes für Schüler. Im Jugendsprech: krass „uncool“. Doch wenn der Lehrer wagt, den Schülern statt „Retro-Didaktik“ ein komplexes Outdoor-Praxisprojekt vorzusetzen, dann kommt in Sachen BEWEGUNG Bewegung ins Team, zumindest wenn das Team eines wie die 8a ist.
Lernbereit, wissbegierig und experimentierfreudig
Mechanik ist aber auch ein trockenes Thema und für quirlige Teenager ein wenig abstrakt. Soll nun das Wesentliche und Grundlegende der geradlinigen gleichförmigen Bewegung vermittelt werden, zuckelt im besten Fall eine Spielzeuglok auf Holzgleisen vorn über den Lehrertisch, was zumindest Heiterkeit auslöst, oder die gute alte Luftkissenbahn wird mal wieder in den Klassenraum geschoben. Mit solcher „Retro-Didaktik“ macht man als Lehrer sicher nichts falsch, doch Begeisterung wird bei Schülern so nicht ausgelöst, ganz zu schweigen davon, dass die emotionale Intelligenz der Schüler impulsiert werden würde. Die Idee, den klassischen Versuch zum Weg-Zeit-Gesetz der geradlinig-gleichförmigen Bewegung zum Outdoor-Projekt zu machen, entstammt verschiedenen Stellen in der Fachliteratur und ähnlichen Versuchsprojekten von Kollegen des Fachbereichs Physik.
Ein Teammitglied erklärt sich bereit, mit dem Fahrrad zur Schule zu kommen, um die Bewegung zu simulieren. Hannah war gleich zur Stelle, wohnt sie doch nur ein paar Straßen von der Schule entfernt. Um eine weder zu kleine noch zu große Messtrecke zu erhalten, wurde auf der Laufbahn (die zudem den Vorteil hat garantiert plan zu sein) ein 30 Meter langer Abschnitt festgelegt. Am Anfang braucht es dabei genügend Platz zum Anfahren und Erreichen einer möglichst gleichmäßigen Geschwindigkeit. Alle fünf Meter stehen jetzt links und rechts der Bahn Zweierteams zur Zeitnahme. Die Partner messen die Zeit und vermelden den Mittelwert beider Messungen dem Protokollanten, der nach jedem Durchgang die Werte erfragt und tabellarisch erfasst. Ein Schüler steht am Startpunkt, um ein für alle deutlich sichtbares Signal zu geben (erhobener Arm nach unten), wenn Hannah die Startlinie mit dem Vorderrad passiert. Die Messung wird mit einer langsameren und schnelleren Fahrt wiederholt.
Das hört sich alles einfach an. Doch die Schüler hatten den Outdoor-Versuch konsequent selbständig zu konzipieren und durchzuführen. Gleich zu Beginn war klar, der arbeitsteilige Prozess der Versuchsdurchführung und Datenerfassung bedarf einer zentralen Koordination. Einer muss den Hut aufhaben. Zum „Hutträger“, also zum Koordinator, wurde Paul gewählt. Da wir voraussichtlich die Laufbahn einige Zeit belegen würden, musste eine Abstimmung mit den Sportkollegen erfolgen. Nach einem Probelauf ging es nächste Stunde zur Tat.
Am Tag des Versuches – Regen. Trotz dieser erschwerten Bedingung – am Ende des Versuches begannen sich die ersten Collegeblöcke vor Nässe aufzulösen – entwickelten die Schüler der 8a einen beeindruckenden Arbeitseifer. Jeder stand auf seinem Posten. Nicht alle kamen gleich mit dem Zeitmessen zurecht. Doch erst wenn JEDER im arbeitsteiligen Prozess verlässlich seinen Job macht, kann das Arbeitsziel erreicht werden. Also Unterbrechung, Diskussion, Erklärung. Zum Glück besitzt Paul echte Führungsqualitäten. Er ist fachlich kompetent und besitzt trotz seines freundlichen Wesens Durchsetzungskraft. Und wenn es sein musste, war er sich als „Chef“ nicht zu fein, zu seinen Leuten zu gehen, ihnen zuzuhören und dann ihnen den zugehörigen Arbeitsschritt so lange zu erklären, bis sie es verstanden hatten.
Die Versuchsprotokolle waren Hausaufgabe. Dazu gehörte auch, die erfassten Daten in einem Weg-Zeit-Diagramm funktional darzustellen, optimaler Weise mit Excel oder einem ähnlichen Programm. Bei manchen Schülern wurde ein Zeit-Weg-Diagramm daraus. Gute Gelegenheit den Zusammenhang von Zuordnung/Funktion zu diskutieren. Und warum die horizontale Achse praktischer Weise die Zeitachse sein sollte. In einem kleinen Test war abschließend nachzuweisen, ob in Sachen Bewegung wirklich Kompetenz erworben wurde. Die drei Sachaufgaben – über einen Sprinter, das Echolot eines Schiffes und das Ultraschallsignal von Fledermäusen – lösten die Schüler wie selbstverständlich. Selten in Physik eine Klasse erlebt, die so lernbereit, wissbegierig und experimentierfreudig ist! ANDREAS BUBROWSKI
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