Lyrik nervt!
Was sich wie eine plumpe Provokation für alle Deutschlehrer und Hobby-Literaten anhört, ist doch tatsächlich der Titel eines Buches. Als das Werk 2004 im Hanser Verlag erschien, war es bald ein offenes Geheimnis, dass sich hinter dem Pseudonym Andreas Thalmayr der renommierte Autor Hans Magnus Enzensberger verbarg. Kann es sein, dass Enzensberger von Lyrik genervt ist? Oder liegt der Ansatz der Erklärung bereits im Untertitel verborgen? „Ein Erste-Hilfe-Buch für alle, die meinen, dass sie nichts mit Gedichten anfangen können,“ ist dort zu lesen.
Enzensberger, Pardon, Thalmayr beginnt mit dem wütenden Brief einer Fünfzehnjährigen, den sie in ihr Tagebuch geschrieben hat. Eigentlich nicht sonderbar, wenn er nicht unbedingt an Rainer Maria Rilke gerichtet wäre, einen toten Dichter! Von ‚Thema verfehlt‘ ist die Rede und von Gedichten, mit denen man aber auch gar nichts mehr zu tun haben möchte. Und genau darum geht es dem Autor.
#VorsichtBuch
Zuerst zeigt er uns auf, dass wir ohne Gedichte nicht auskommen, in unseren Gehirnen würde es vor Gedichten nur so „wimmeln“, behauptet er, denn jeder würde Kinderreime oder Liedtexte kennen, den meisten sei nur nicht klar, dass es sich dabei auch um Lyrik handeln würde. Jetzt erahnen wir langsam, was der Autor vorhat: Eine ganze Literaturgattung soll von ihrem vermeintlich schlechten Image befreit werden. Gedichtform, Versmaß oder sprachliche Gestaltung, dem Leser werden die wichtigsten theoretischen Grundlagen, die zur Interpretation von Gedichten notwendig sind, erläutert. Ein Werk, das polarisiert: für manche zu salopp geschrieben, erscheint es anderen als der gelungene Versuch, sich Gedichten unbefangen zu nähern, eben ein Sachbuch der etwas anderen Art. DAGMAR BÜRLING
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