#VorsichtBuch in der Schulbibliothek/Neuerwerbungen

Goldener-Mittelweg-Versuch in Mathematik: In der einen Hand die individuelle, selbst erstellte Mitschrift; in der anderen das darauf aufbauende, einheitlich digitale Abbild des Gelernten. Symbolbild: A. Bubrowski/CJD Oberurff
Goldener-Mittelweg-Versuch in Mathematik: In der einen Hand die individuelle, selbst erstellte Mitschrift; in der anderen das darauf aufbauende, einheitlich digitale Abbild des Gelernten. Symbolbild: A. Bubrowski/CJD Oberurff

Schon der Titel des neuen Buches von Arne Ulbricht scheint der Feriensituation zu entsprechen, wenn man vom Fragezeichen am Ende absieht: Schule ohne Lehrer? Je nach individueller Sicht des Lesers gibt Ulbricht darin wahlweise den Whistleblower, Nestbeschmutzer oder nörgelnden Schwarzseher des durchschnittlichen deutschen Schulbetriebes. Immer aber geht es ihm um „seine“, also UNSERE Schüler und die Sorge, dass ihre Lehrer für sie immer weniger pädagogische, inspirierende, leitende Instanzen werden könnten.

Von schleichend ausbreitender Konformität dominierte Pädagogik

Hier schreibt sich ein Bildungspraktiker sein Leid von der Seele, der in seinem Lehreralltag eine zunehmend von schleichend ausbreitender Konformität dominierte Pädagogik wahrzunehmen meint, die durch den Hang zur undifferenzierten Digitalisierung des Unterrichts weiter an Schüler-Lehrer-Interaktion einzubüßen droht. Und wie es sich für einen guten Lehrer gehört, greift er als Autor gelegentlich auch zu drastischen Stilmitteln, um ganz sicher die emotionale Intelligenz des Lesers zu erreichen.

Der Club der toten Dichter 1989 – Schwimmt gegen den Strom!

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Genau das könnte man dem Autor vorwerfen. Doch gelegentliche polemische Überhöhung zum Zwecke der Vermittlung von Denkanstößen darf einem engagierten Lehrers zugestanden werden, wie der Filmklassiker „Der Club der toten Dichter“ auf berührende Weise gezeigt hat. Dort schwimmt ein Lehrer im Interesse der ihm anvertrauten Schüler GEGEN den Strom des steingewordenen Systems einer Privatschule aus Gewöhnung, Bequemlichkeit und Selbstbezug.

In vergnüglich zu lesenden Szenarien wird in Schule ohne Lehrer? manch „heilige Bildungskuh“ aufs Korn genommen.

  • Etwa Laptopklassen. Der Leser wird aufgefordert, die pädagogische Rechtfertigung zu überdenken, wenn die ohnehin zu extensiver Bildschirmkommunikation bis hin zur Mediensucht neigenden Jugendlichen auch noch von der Schule und im Unterricht zu mehr Mediennutzung „getrieben“ werden.
  • Etwa Powerpoint-Praxis. Ulbricht traut sich aufzuschreiben, was insgeheim jeder Lehrer weiß oder wissen sollte – die flüssige Bedienung von Anwendersoftware wie POWERPOINT und die Kompetenz, Referate zu konzipieren und Themen zu präsentieren, haben nur mittelbar miteinander zu tun. Oft wird im Unterricht dennoch ersteres als Ausdruck von letzterem gesehen und bewertet.
  • Etwa Gruppenarbeit. Die auflockernde Unterrichtsmethode gilt pauschal als „modern“, vor allem gegenüber dem oft abschätzig als „Frontalunterricht“ verschrieenen Lehrervortrag. Doch tatsächlich ist Gruppenarbeit eine anspruchsvolle Sozialform und für den Fachunterricht nur begrenzt geeignet. Denn nur selten finden sich dabei homogen lernwillige Schüler zusammen. Oft werden stattdessen Lernaktive von Lernpassiven ausgenutzt.

Es wäre spannend und sehr wahrscheinlich fruchtbringend, wenn sich Lehrerkollegien Schule ohne Lehrer? als Lektüre verordnen würden, um sich anschließend dazu in einer moderierten Weiterbildungsveranstaltung zur offenen Methodendebatte zu treffen. Dann könnten etwa Laptop-(Tablet)-Einsatz, Powerpoint-Vorträge und Gruppenarbeit im Rahmen definierter Einsatzfelder ihren angemessenen Platz im individual­pädagogischen Werkzeugkasten des einzelnen Lehrers finden. Denn auch das legt „Whistleblower“ Ulbricht offen: In den Kollegien wird (zu) wenig offen diskutiert und wenn dann eher in mehr oder weniger informellen Grüppchen, Interessen-Grüppchen. ANDREAS BUBROWSKI


Schule ohne Lehrer
Zurück in die Zukunft
Autor: Arne Ulbricht
Taschenbuch: 173 Seiten
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht; Auflage: 1., Auflage (28. Januar 2015)
ISBN-10: 3525701748