Teenager hören wieder AC/DC, Status Quo und Deep Purple
Mitte der 90er Jahre wagte die Urbesetzung von Deep Purple nach langer Pause einen neuen Konzertversuch – in tiefster oberbayerischer Provinz, in Garmisch-Partenkirchen. Das Olympiastadion – ein Nazibau aus den 1930er Jahren – war mäßig besucht. Offenbar um sich „altrockerhaft“ zu geben, zerlegten die Musiker anschließend die Umkleidekabine und klauten angeblich Einrichtungsgegenstände, die noch von der Winterolympiade 1936 stammten. Der Veranstalter verklagte die Band und das lokale Anzeigenblatt berichtete empört über die Entgleisungen der Rockopas1.
Deep Purple – Never Before
Aus dem Album „Machine Head“ (1972) © BBC London
Später spielte das Ensemble noch bei einem russischen Präsidenten zum Geburtstag auf. Kurz; der totale Niedergang der einstigen Hardrocker schien offensichtlich. Für immer und ewig, mochte man meinen. Irrtum: Neuerdings kann man aus den dröhnenden Kopfhörern mitsingender 15-Jähriger neben AC/DC und Status Quo auch wieder DEEP PURPLE hören. Ist die Zeit stehen geblieben?
Lange Lockenpracht frisch gewaschen und geföhnt
Schaut man sich die Videos der BBC aus den 1970er Jahren an, kann man sich gut und gerne vorstellen, den einen oder anderen Lehrer – heute Mitte bis Ende 50 – dort im Publikum als Teenager zu entdecken. Die lange Lockenpracht frisch gewaschen und geföhnt. Die BRAVO hatte damals noch keine Probleme mit sinkender Auflagenzahl. Die Jugend in West- und Ostdeutschland gierte nach aktuellen Stories und wandfüllenden Postern – eben von Bands wie AC/DC, Status Quo, Deep Purple. Dabei waren die Jung-Wessis damals klar im Vorteil, denn die BRAVO gab es wöchentlich. Die Jugend Ost musste warten, bis eine Oma zu Besuch in den Westen durfte und dann auch noch mutig genug war, etwa ein Deep-Purple-Poster zwischen Bananen, Apfelshampoo und Bohnenkaffee nach Hause zu schmuggeln.
Deep Purple – Child In Time
1970 Live at BBC, UK: Key – Jon Lord2, Ds – Ian Paice, G – Ritchie Blackmore, Vo – Ian Gillan, B – Roger Glover © BBC London
Heute gelten minutenlange Rockballaden wie CHILD IN TIME künstlerisch als peinlicher Manierismus. Doch in den 1970er Jahren hing die gesamtdeutsche Jugend an den Radiolautsprechern von Bayern 3 oder NDR 2, um eben diese Tracks möglichst in voller Länge und ohne „Reinquatschen“ durch einen Moderator mitschneiden zu können. Denn bei der nächsten Klassenfete ließ es sich selbst unter dem wachsamen Blick des Klassenlehrers bei CHILD IN TIME neun wundervoll lange Minuten „eng tanzen“ und – bei gedimmtem Licht – in gemischten Zweiergruppen sittsam an seiner Kusskompetenz arbeiten.
Jay Z ft. Mr. Hudson – Forever young
(© 2009 Shawn Carter)
Was hat es zu bedeuten, dass viele Teenager heute CDs mit den Hits der Generation älterer Lehrer oder der eigenen Großeltern kaufen? Ist die Zeit stehen geblieben? Oder lebt ein Lebensgefühl fort oder wieder auf, das durch den Protest gegen die Gräueltaten des Vietnamkrieges, durch außerparlamentarische Opposition und nachdrücklichen Kampf um Selbstbestimmung geprägt war? Oder ist der Sound schlicht und einfach FOREVER YOUNG? ANDREAS BUBROWSKI
Kommentare
pf was heißt hier wieder , das hör ich schon immer
In unserer Klasse ist es üblich, dass Musik von Deep Purple und anderen Musikern aus „Mama und Papas Zeit“ gehört wird. Natürlich stöbern wir in den Plattensammlungen unserer Eltern herum, hören die Musik im Radio auf Sendern wie HR1 und RadioBOB. Außerdem werden Lieblingstitel vor dem Unterricht ausgetauscht und laut mitgesungen.
Musik von Mama und Papa ist es nicht, diese Musik lebt immer…
Angeblich entsprechen der Jugend mehr oder weniger Radio- und Musikformate, wie sie die „Rob-Green-Morning-Show“ & Co. präsentieren. Dem ist also nicht ausschließlich so. Sehr erfreulich zu lesen. Vielleicht eröffnen wir hier einmal eine Columne „Oldies but Goldies“ oder „MUSIKALISCHE ZEITREISE“ oder „Evergreens à Go-Go“ … Mal aus Sicht von Euch, mal aus Sicht von „Zeitzeugen“ – also uns ü50-Lehrer…?
Interessant die Parallelen: Als ich in der 9. Klasse war, war mein zuständiger „Jugendsender“ NDR 2. Früh gab es eine halbstündige Sendung „Musik für junge Leute vor der Schule“ mit aktuellen und als „progressiv“ geltenden Tracks vor allem aus UK und USA. Alles brav ausgespielt. Noch vor der ersten Stunde haben wir in der Klasse dann die „Playlist“ diskutiert…
Übrigens wehe, jemand hätte sich dabei geoutet auf „Bubblegum-Rock“ wie THE SWEET oder T-REX zu stehen. Der/die hätte einige Hänselei zu ertragen gehabt. BUB
Mit Guns N´ Roses im Hintergrund liest sich der Artikel wirklich gut.
Wo hört Ihr „SOWAS“? Auf NDR 1? Oder vergreift Ihr Euch heimlich an der Vinyl-Sammlung von Mama und Papa, ähhh von Oma und Opa?