Hoodcheck by Leonid Berlitz

„Das ist extra für euch, ihr süßen Mäuse ihr“ – MC Fitti

Selfie eines Schopfmakaken-Weibchens. Kamerabesitzer: David Slater Symbolbild © gemeinfrei
Selfie eines Schopfmakaken-Weibchens. Kamerabesitzer: David Slater
Symbolbild © gemeinfrei

Wir kennen es aus Science Fiction-Filmen und Verschwörungstheorien, eine böse Macht scheint uns unter dem Vorwand der Sicherheit überwachen zu müssen. Unsere genaue Position wissen „die da oben“ sowieso Tag und Nacht, unsere Gewohnheiten und Vorlieben, eine Privatsphäre gibt es scheinbar nicht. Gerade beim aktuellen Überwachungs­skandal müsste der Aufschrei riesig sein, doch die Betroffenen, du und ich, bleiben gelassen, wer wusste dies denn nicht „eh schon“. Die Regierung, deren Auftrag es is, für unsere Sicher­heit zu sorgen, lässt uns kläglich im Stich, die Nutzung „smar­ter Technik“ scheint nicht mehr legitim zu sein. Bestrafen kann man diese Verstöße gegen das Grundgesetz nicht, die Unter­neh­men sind zu groß und einflussreich oder zu klein und zu viele.

Wer hat das Obige nicht schon hundertfach (an)gelesen? Wer schert sich noch um Warnungen vor ständigen Überwachung? Schließlich weiß doch angeblich jeder, wie man sich schützt: keine sozialen Netzwerke nutzen, kein Smartphone, niemals persönliche Daten angeben, dem Mainstream nicht mehr folgen, am besten mit einem Aluhütchen im Busch der modernen Zivilisation entsagen!

Der Kunde überwacht sich selbst

Ist das so einfach? Wollen wir das? Was habe ich denn schon zu verbergen? Es ist doch egal, ob ich personalisierte Werbung bekomme, ich kaufe nur das, was ich brauche! Personalisierte Ergebnisse bei Suchmaschinen drängen einen in Parallelwelten? Die wahre Überwachung findet auf gefühlt freiwilliger Basis statt. Es ist viel einfacher, nicht darüber nachzudenken, wer was von mir erfahren könnte, als kostenlose Apps zu nutzen: der Kunde überwacht sich selbst und gibt seine intimsten Informationen an Unternehmen ab.

Die Datenschützer haben versagt, ohne Überwachung funktionieren die beliebtesten Apps wie Farmstory oder Runtastic, die unsere GPS Standorte, Adressbücher, Anruflisten usw. anfordern, nicht. Wir stimmen diesen AGB zu, sollen die halt meine personenbezogenen Verkehrsdaten zur Vermarktung, Marktforschung und Mediendiensten nutzen.

MC FITTI – WHATSAPPER

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Die hochgelobten Filme, die sich schon vor Jahren mit dem Thema befasst haben, entsprechen nicht der heutigen Realität. Das Volk wird nicht gegen seinen Willen überwacht, es überwacht sich selbst, schließlich spart man Geld und Zeit, wenn man die angebotenen Dienstleistungen nutzt, man findet alte Freunde, die man unheimlich vermisst hat über all die Jahre, man doch nie die Möglichkeit und Zeit gehabt hat, mit diesen zu kommunizieren, oder man streicht Prämien ein.

So funktioniert das Payback System; der Kunde sammelt bei jedem Kauf Punkte, mit denen er etwa eine 70-Euro-Sporttasche für nur 40 Euro ergattern kann, das System sammelt fleißig Daten: was kauft der Kunde wann und wo? Eine super Sache, man bindet die Leute nicht nur an bestimmte Anbieter und sammelt deren Daten, um das Kaufverhalten zu analysieren, sondern wird auch noch die ChinawareKinderarbeitChemiebelastetenBilligkrempel los. So verrückt wie dies auch klingen mag: Das System ist fetzig, lässig, es funktioniert prächtig dank (Ausspäh-)Technik. Kundendaten werden in irgendwelchen Sphären zwischen Helgoland und Ostsee für sie unzugänglich abgespeichert: das ist der reale Technikshit!

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Ein anderes System der Überwachung, in dem nur das Unternehmen profitiert, stellte kürzlich eine Autoversicherung, vor. Wieder scheint der Kunde es einfach zu haben, er kann gewinnen, bis zu fünf Prozent seines Jahresbeitrages. So wird das S-Drive-System in sein Auto eingebaut, dies kostet ihn erstmal 5,95 Euro im Monat. Jetzt werden übers Jahr ständig Daten gesammelt, wo fährt der Kunde lang, wie schnell ist er unterwegs, wie oft beschleunigt und bremst er, fährt er tagsüber oder nachts? Für eine risikoreiche Fahrweise, dazu gehören hohes Tempo, schnelles Beschleunigen oder hartes Abbremsen, Stadt- und Nachtfahren bekommt der Fahrer Prozentpunkte von seinem Konto abgezogen, unterschreitet der die 80-Prozent-Marke muss er den vollen Beitrag (plus 5,95 Euro im Monat) zahlen, ist er darüber, spart er, bei einem Kleinwagen mit 300 Euro Jahresbeitrag also 15 Euro (bezahlt aber die 5,95 Euro im Monat).

Der Kunde wird zur Ware

Schnell ersichtlich, dass es sich hierbei nicht um eine Einschränkung des Sicherheitsrisikos, sondern um Vermarktungszwecke handelt: Risikogruppen können so einfach erkannt werden, mit diesen Leuten macht die Versicherung keinen Profit. Was daran schlecht ist? Das Versicherungsprinzip wäre außer Kraft gesetzt, jeder zahlt für sich selber, es schadet also wieder einmal dem Einzelnen und nützt allein dem Unternehmen. Der Kunde wird zur Ware; so übernimmt die Überwachung ein darauf spezialisiertes Unternehmen, Telefónica, das mit den Daten weiter Geschäfte machen kann.

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Das Prinzip, mit Gewinnchancen zu locken, kennen wir aus Fernseh-Gewinnspielen, ab einer gewissen Anruferzahl lohnt es sich auch, Preise wie 4.000-Euro-Fernsehgeräte anzubieten, bei über 50 Cent pro Anruf ist diese Summe schnell wieder erreicht. Doch heute wird im großen Umfang abgezockt, und es geht nicht um den 50-Cent-Anruf, sondern um Informationen. Lässt der Durchschnittsbürger sich wirklich so einfach übers Ohr hauen? Kann uns die Regierung nicht mehr schützen? Und sind unsere Daten in der Hand der Unternehmen sicher?

Linksunten:

www.sparkassen-direkt.de/telematik.html

Zeit-online zu Telematik-Überwachung

Anmerkung der Onlineredaktion: SELFIES, mit Smartphones aufgenommene Selbstporträts, wie das des Schopfmakaken-Weibchens im Teaser-Foto, in einem mehr oder weniger bekleideten Zustand, veröffentlicht im Internet und unvorhersehbar weiterverbreitet, seit 2009 der Renner an US-Colleges unter Schülern, beschäftigen seit einiger Zeit auch in Nordhessen die Polizei und berunruhigen Eltern und Lehrer.

(Gestaltung: Andreas Bubrowski)