Kommunikation - viele Lichter ergeben lichtvollen Raum. Bild: A. Bubrowski/CJD Oberurff
Kommunikation – viele Lichter ergeben lichtvollen Raum. Bild: A. Bubrowski/CJD Oberurff

Firmeninterne Social-Media-Platt­formen beeinflussen nachhaltig die soziale Bindung von Mitarbeitern an das Unternehmen. Daher investieren Unternehmen zunehmend in interne soziale Netzwerke. Dennoch ist die Kommunikation über diese Plattformen defizitär. Mitarbeiter konsumieren stattdessen passiv kommerzielle Online­platt­formen – trotz bedenklicher AGB zu Datenschutz und Urheberrecht. Andere halten sich ganz zurück, aus Angst davor sich zu blamieren, sollte ihre Unsicherheit und geringe Kenntnis im Umgang mit diesen Medien öffentlich werden. Dann gibt es noch das Konkurrenzdenken – in Erwartung persönlicher Vorteile schottet man sich ab und kocht eigene „Mediensüppchen“. Das ist keine Statusbeschreibung aus Oberurff, sondern sinngemäß eine Erkenntnis aus der Forschungsarbeit der promovierten Diplom-Psychologin Nicole Berhinger1 am Leibniz-Institut für Wissensmedien in Tübingen. Obwohl!

Soziale Bindung bezieht sich auch und vor allem
auf etwa 1.100 Schüler

Was für Unternehmen gilt, muss umso mehr für Schulen gelten. Denn soziale Bindung an die eigene Firma – in unserem Fall Bildungsträger und Schule – bezieht sich nicht nur auf Mitarbeiter von Gymnasium, Realschule, PTZ, Tagesgruppe, Internat und Verwaltung, sondern auch und vor allem auf etwa 1.100 Schüler. Gern wird der Jugend schmeichelhaft das Prädikat „Digital Natives“ aufgedrückt – was zugleich den leicht diffamierenden Unterton beinhaltet, dass der nicht-jugendliche Rest der Menschheit automatisch zu den „Digital Illiterates“ (Digitale Analphabeten) gehören muss. Doch die Erfahrung zeigt, dass die „Digital Natives“ vor allem beim folgsamen Konsumieren vorgesetzter Trends der IT-Konzerne „heimisch“ sind. Nur weil jemand im Gehen mit zwei Daumen in Windeseile und fast fehlerfrei Kurznachrichten über einen amerikanischen Instant-Messaging-Service tippen kann, ist er weder im medientechnischen noch sozialen Sinne kompetent.

Wenn Schüler Medien- und Sozialkompetenz aktiv und nachhaltig entwickeln sollen, geht wohl kein Weg daran vorbei, dass Lehrer als Ideengeber und Visionsträger vorangehen – nicht als vereinzelte „Mediengurus“, sondern als Kollegium. Lehrer werden nicht grundlos in der Fachliteratur gern als „Manager“ – also Führungskräfte – beschrieben. Letztlich machen Schüler eine Sache vor allem dann – und nur dann – mit Engagement, wenn ihre Lehrer sie dazu emotional und intellektuell ansprechen. Es liegt dabei nahe: Beschränkt sich die Kompetenz eines Lehrers vor allem auf das Konsumieren von IT-Trends – tun es ihm seine Schüler nach, statt sozialer Bindung an die Schule ist Bindung an IT-Trends die Folge; gibt sich ein Lehrer IT-immun – verliert er den Kontakt zu seinen Schülern in einem ihrer wichtigsten Lebensräume; schottet sich ein Lehrer mit „seinen“ IT-Projekten von der Schulgemeinschaft ab, verlieren vor allem „seine Auserwählten“ die Chance, sich in der digitalen Interaktion mit der Gemeinschaft zu entwickeln2.

In einem Zeitungsinterview hat Diplom-Psychologin Nicole Behringer Hinweise gegeben3, wie interne soziale Netzwerke in Firmen die Arbeitszufriedenheit und Hierarchien beeinflussen können. Hierarchien sind an der Schule so einfach wie unerschütterlich – dem Lehrerheer steht eine die unternehmerische und pädagogische Verantwortung tragende Schulleitung vor. Hier gibt es keinen Änderungsbedarf. Anders bei der „Arbeitszufriedenheit“, die sich ja nicht nur auf Lehrer beziehen muss, sondern – vorrangig sogar – auf Schüler. Hier lesen sich Behringers Hinweise wie für den Schulbetrieb verfasst. Die Highlights sinngemäß auf Schule angewandt:

  • Vertrauen in die eigene Fachkompetenz ist die Grundlage der Kommunikation im (internen) sozialen Netzwerk; Bedienung der Plattform und Einsatz von Technik sind zweitrangig
  • Firmen (die Schule, also die Schulleitung) muss den Mitarbeitern (und Schülern) ausdrücklich vermitteln, dass Kommunikation erwünscht ist
  • Das Kommunizieren über Social-Media-Plattformen ist ungewohnt und löst Vorbehalte aus. Damit sich Mitarbeiter (und Schüler) trauen aktiv einzubringen, muss eine kommunikations­freudige Kultur des Gedankenaustauschs (im Kollegium, in Klassen und Tutorien) existieren
  • Mitarbeiter (und Schüler) sind zu ermutigen, sich auf die Kommunikation via Social-Media-Plattform einzulassen. Sehenswerte Resultate sind anzuerkennen, weniger Sehenswertes dient LEDIGLICH als Impuls für fortlaufendes Kompetenztraining
  • Bei der Konzeption von Weiterbildungen sollte darauf geachtet werden, dass nicht ältere oder IT- unsichere Kollegen mit klickaffinen u40-Kollegen in einer Gruppe landen. Ältere – und IT-unsichere – Kollegen sind dort abzuholen, wo sie stehen. Ansonsten werden Vorbehalte gegenüber neuen Systemen nur verstärkt.

ANDREAS BUBROWSKI

Linksunten: CJD2go – die interne Social-Media-Plattform des CJD Oberurff

  1. Thema: Der Einfluss sozialer Bindung auf den Wissensaustausch in Social-Media-Plattformen
  2. In der WEBLOG AG versucht der Verfasser seit nun knapp 10 Jahren den Ansatz offener Kommunikation praktisch umzusetzen. Schüler sind jederzeit zum „Hereinschnuppern“ willkommen. Im Schuljahr 2013/14 waren zunächst 15 Schüler in der AG gemeldet. Inzwischen hat sich ein harter Kern von sieben/acht Schülern gebildet, die auch bereit sind in ihrer Freizeit sich kompetent und zielgerichtet für die Öffentlichkeitsarbeit ihrer Schule einzubringen. 21 Lehrer und Schüler sind als aktive Autoren eingestuft. Kollegen und Eltern erhalten bei Anfrage zu Social-Media-Fragen kurzfristig Rückmeldung. Die Frage einer Kollegin, ob es nicht so etwas wie eine Gebrauchsanweisung für CJD-UPDATE und CJD2go gibt hat das Team veranlasst, das langfristige Projekt HANDBUCH CJD-UPDATE zu starten. In Kürze wird dazu der erste Artikel online gehen.
  3. Süddeutsche Zeitung, 3./4. Mai 2014, Interview: WISSEN IST MACHT, Beruf&Karriere, V2/11